ANNO: 31. Jänner 1933 – Die Machtergreifung Adolf Hitlers in Zeitungsquellen

Vor genau 80 Jahren wurde Adolf Hitler vom deutschen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt. Damit wurde eine Epoche der deutschen Geschichte eingeleitet, die in die größte Katastrophe des 20. Jahrhunderts führen sollte. Wie die österreichischen Medien die politische Lage in Deutschland damals beurteilten, lässt sich anhand des Online-Zeitungsarchivs „ANNO“ nachlesen.

Wer sich über die politische Stimmung zur Zeit der sogenannten „Machtergreifung“ ein Bild machen möchte, findet in Zeitungen ein hervorragendes Anschauungsmaterial. Vor allem die Österreichische Nationalbibliothek stellt mit dem Online-Archiv ANNO ein für den Unterricht in Zeitgeschichte unschätzbares Quellenmaterial zur Verfügung.

 

* * * * *

Die Zeitungen der 1. Republik verwendeten die damals gängigen Frakturschrift, bei der es sich um eine Druckschrift handelt, die im deutschen Sprachraum vom 16. Jahrhundert bis ca. 1940 in unterschiedlichen Varianten verwendet wurde. Entwickelt hat sich die Schrift aus der seit dem 12. Jahrhundert verwendeten gotischen Buchschrift.

Mit ein wenig Übung lässt sich die ungewohnte Schrift relativ rasch lesen und die Dokumente erwecken die Stimmung, das Denken und die Sprache der damaligen Zeit wieder zum Leben. Das im Bild vorgestellte Alphabet in Frakturschrift soll beim Einstieg in das Lesen historischer Dokumente behilflich sein.

 


Viele Buchstaben der Fraktura-Schrift sind den lateinischen Buchstaben sehr ähnlich. Beachten sollte man den kleinen Unterschied zwischen dem kleinen f und dem langen s (rechts neben dem kleinen s). Beim f ist der Querstrich ein wenig links und vor allem rechts, beim langen s hingegen nur links.

 

* * * * *

 

16 verschiedene Tageszeitungen unterschiedlicher politischer Ausrichtungen berichten am 31.1.1933 von der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler, wobei die politischen Einschätzungen dieses Ereignisses durchaus unterschiedlich ausfallen.

Die „Arbeiterzeitung“ prangert die Zusammenarbeit der Nationalsozialisten mit den preußischen Großgrundbesitzern an und schreibt: „Niemals unter der Herrschaft des vielverlästerten Parlamentarismus, niemals in der Zeit des sogenannten Packelns zwischen den Parteien hat es ein ähnlich widerliches Stück schmählicher Schiebung und erbärmlichen Schachers gegeben, wie die geheimen Verhandlungen der letzten Wochen, die nunmehr – endlich – Herrn Hitler an das ersehnte Ziel, auf den Reichskanzlerstuhl der deutschen Republik gebracht haben.“

ANNO: Arbeiter-Zeitung, Nr. 31, 31.1.1933, S. 1-3

Die Zeitung „Die freie Presse“ sieht mit ambivalenten Gefühlen nach Deutschland. Einerseits wird die Zusammenarbeit zweier Parteien, die sich früher vehement bekämpft hatten, mit Skepsis betrachtet, andererseits würde eine neuerliche Auflösung des Reichstages zu einem neuen Hexenkessel in Deutschland führen. Die Mitglieder der neuen Regierung wären nur durch ein Moment zusammengefasst:
„durch die Abneigung gegen Demokratie, gegen ehrliche Fortschrittlichkeit und Duldsamkeit. Eine beispiellose Entwicklung nach aufwärts ist gelungen. Hitler ist am Ziel. Aber politisch ist dieses Ziels erst ein Anfang und dieser Anfang wird sehr schwer sein.“

ANNO: Neue Freie Presse Nr. 24564, 31.1.1933, S. 2

 

* * * * *

Exkurs: Die Reichstagswahl im November 1932

Die Reichstagswahlen im November 1932 waren für die Nationalsozialisten alles andere als gut ausgefallen. Auch wenn sie sich als stärkste Partei konsolidieren konnte, gehörte sie doch zu den großen Wahlverlierern. Dass Hitler gerade nach einer Wahlniederlage sein Ziel Reichskanzler zu werden erreichen konnte, scheint eine Ironie des Schicksals.


Quelle: Wikipedia - Bundesarchiv, Bild 183-H28422 / CC-BY-SA

 

* * * * *

 

In der Tageszeitung „Tages-Post“ kommt die Taktik der Nationalsozialisten bei der Machtergreifung zum Ausdruck, ihr ursprünglich radikales Auftreten zurückzunehmen, um die zahlreichen Skeptiker im In- und Ausland zu beschwichtigen, solange die Macht noch nicht vollständig gesichert ist. So wird eine Erklärung des deutschen Reichsinnenministers, des Nationalsozialisten Dr. Frick wiedergegeben:
„Die neue Regierung kommt der Presse in sehr urbanen Formen und mit betonter Liebenswürdigkeit entgegen. Aus den Erklärungen die Dr. Frick der deutschen Presse gegenüber abgegeben hat ist folgendes hervorzuheben: An der Verfassung wird ohne Proklamierung eines Staatsnotstandes festgehalten. Die Regierung legt den größten Wert auf unbeschränkte Meinungsäußerung. Die kommunistische Partei wird nicht verboten.“
Keinen Monat später sollte die Kommunistische Partei Deutschlands dennoch verboten sein.



ANNO: Tages-Post (Mittagsblatt), Nr. 25, 31.1.1933, S. 1


In Bezug auf die Außenpolitik erklärte Frick: „Das Ziel der neuen Regierung ist, in Frieden und Freundschaft mit aller Welt zu leben. Dies wird der leitende Gesichtspunkt ihrer Außenpolitik sein“
Aber auch über die Stimmung in der Hauptstadt Berlin lässt sich lesen:
„Während dieser Presseempfang stattfand, zogen durch die ganze Stadt Züge von Sturmabteilungsmannschaften (SA Anm. A.M.-H.) nach dem Wilhelmsplatz, um dem neuen Reichskanzler Hitler Ovationen darzubringen.


ANNO: Tages-Post (Mittagsblatt), Nr. 25, 31.1.1933, S. 1


Für die Nationalsozialisten in Österreich bedeutete die Machtergreifung einen ungeheuren politischen Auftrieb und so schrieb der Landesleiter der NSDAP in Österreich in einem Telegramm an Adolf Hitler:
„In der für unser gesamtes deutsches Volk entscheidenden und geschichtlichen Stunde der Übernahme der Reichskanzlerschaft grüßen die österreichischen Nationalsozialisten in unwandelbarer Treue und Verehrung ihren Führer und wünschen der nun folgenden Arbeit für Volk und Vaterland aus frohbewegten Herzen in Fortsetzung aller bisherigen Siege vollen Erfolg.“

ANNO: Tages-Post (Mittagsblatt), Nr. 25, 31.1.1933, S. 1


Als sorgenvoll wird hingegen die Stimmung bei den österreichischen Linksparteien wiedergegeben:
„In den Kreisen der Linksparteien herrscht große Erregung, aber man ist gleichzeitig einmütig der Ansicht, dass man jetzt Ruhe bewahren und den weiteren Verlauf des mit der Übertragung der Kanzlerschaft an Adolf Hitler gemachten Experiments abwarten muss, über dessen ungeheure Gefahren für Staat und Volk man sich durchaus im klaren sei.“

ANNO: Tages-Post (Mittagsblatt), Nr. 25, 31.1.1933, S. 1

Die deutschen Nationalsozialisten selbst verstehen durch Presseaussendungen geschickt die Bedeutung ihrer eigenen Rolle in der Regierung zu verkleinern, um Kritikern die Argumente zu nehmen.
„Die N.S.D.A.P weiß, dass die neue Regierung keine nationalsozialistische Regierung ist, aber sie ist sich dessen bewusst, dass diese Regierung den Namen ihres Führers Adolf Hitler trägt.“

ANNO: Tages-Post (Mittagsblatt), Nr. 25, 31.1.1933, S. 1
 

Im Kommentar der Tages-Post wird die Machtergreifung der Nationalsozialisten überaus positiv mitunter überschwänglich bewertet:
„Man wird um des deutschen Volkes willen wünschen müssen, dass Adolf Hitler, dessen geschichtliche Verdienste um das nationale Deutschland unbestritten sind, sich erfolgreich durchsetze. Zwölf Millionen Wähler, ein Drittel der Nation, steht begeistert, bereit auch zu den schwersten Opfern, hinter ihm. Möge er durch weise Mäßigung, bei aller Grundsatztreue, sein von ihm über alles geliebtes Volk einer schöneren Zukunft entgegenführen.“



ANNO: Tages-Post (Mittagsblatt), Nr. 25, 31.1.1933, S. 2

Eine überaus weitsichtige Einschätzung der politischen Verhältnisse zeigt hingegen ein Aufruf der deutschen Gewerkschaften, in dem es heißt:
„Die politische Lage hat sich in entscheidender Weise geändert. Das Schwergewicht der neuen Reichsregierung liegt bei Parteien und Gruppen, die bisher offen für die soziale Entrechtung der Arbeiter und Angestellten, für die Zerschlagung der Demokratie und für die Ausschaltung des Parlaments eingetreten sind. Die Gefahr liegt nahe, dass sie jetzt ihre Pläne zu verwirklichen trachten.“


ANNO: Tages-Post (Mittagsblatt), Nr. 25, 31.1.1933, S. 1

 

Weiterführende Links:
Wikipedia: Machtergreifung
Wissen.de: Hitlers Machtergreifung
ZDF-History-Materialien für Lehrer: Die Machtergreifung
Was ist was? Hitlers Machtergreifung
YouTube: Hitlers Machtergreifung
 

 

Andreas Markt-Huter, 31-01-2012

Redaktionsbereiche