Bibliotheken für alle

Als ich vor 29 Jahren die Bibliothekswelt in Österreich kennenlernte, zählte ich 26-jährig zu den eher jüngeren BibliothekarInnen und hielt mich in inhaltlichen Diskussionen nicht zurück: Soll ein Buch von Christine Nöstlinger in einer Bibliothek stehen dürfen? Verdirbt diese „linke“ Autorin nicht die Sitten?  Was hat Thomas Bernhard in einer gut sortierten Pfarrbücherei verloren?

Übrigens: Nur heute, aus der Distanz, wirken diese Fragen ein wenig bemüht. Heute diskutiert man über Zielstandards für Bibliotheken in Österreich, über Stützpunktbibliotheken und darüber, wie man mit den „Franz-Büchern“, ja, eben, von Christine Nöstlinger, Kinder fürs Lesen begeistern könnte.

Die Wohnadresse eines Kindes in Österreich gibt seine Bildungskarriere vor, Bildungsarmut wird vererbt und jede geöffnete Öffentliche Bibliothek könnte der Bücherarmut im elterlichen Haushalt viel entgegensetzen. Übrigens: Genau die, die damals Nöstlinger ablehnten, meinen heute, dass Leseförderung Privatsache und Aufgabe des Elternhauses sei.

Bibliotheken 2013

Bibliothekarin X. leitet die Öffentliche Bibliothek in einer wirklich sehr kleinen  und überschaubaren Tiroler Gemeinde. Vor fünf Jahren schloss die heute 41-Jährige die Ausbildung zur ehrenamtlichen und nebenberuflichen Bibliothekarin mit der Präsentation ihres Projektes vor der Prüfungskommission  ab. Ihre Projektarbeit verfasste sie über die Reorganisation der Bibliothek: „Erst im Rahmen der Ausbildung ist mir bewusst geworden, wo wir stehen. Da gab es für mich nur zwei Optionen: Sofort aufzuhören oder alles umzukrempeln.“


"Wenn in Kramsach, in Dorf 1, dem Sitz der Gemeinde, reger Betrieb herrscht, dann hat das sehr viel mit der dort angesiedelten Öffentlichen Bibliothek zu tun."

 

Sie entschied sich für letztere Option, motivierte das Team, sichtete mit diesem den Bestand, erhöhte die Öffnungszeiten deutlich und sprach Klartext mit der Gemeinde als Träger der Bibliothek: Welchen Wert hat die Bibliothek für die politischen EntscheidungsträgerInnen in einer Gemeinde? „Seit ich selbst in der Gemeindevertretung bin und weiß, wie teuer der Dünger für den Rasen unseres Fußballplatzes ist, hat das meinen Blick auf das Büchereibudget deutlich geschärft.

Eine jährliche Erneuerungsquote des Bestandes von 10 - 12 % ist finanzierbar, wenn man argumentiert und wenn man die anderen Budgetposten kennt.“ So eine Salzburger Büchereileiterin (zwischen 35 und 40 Jahre alt). Wenn in Kramsach, in Dorf 1, dem Sitz der Gemeinde, reger Betrieb herrscht, dann hat das sehr viel mit der dort angesiedelten Öffentlichen Bibliothek zu tun: Es war die Initiative von zwei Frauen, dass aus zwei Pfarrbibliotheken – Kramsach/Voldöpp und Kramsach/Mariathal – gemeinsam mit dem Träger Gemeinde ein Erfolgsprojekt wurde.

Die Zahlen sprechen für sich: Erfolgreiche Bibliotheken haben ein engagiertes Team und einen ebenso engagierten Träger, die Teams sind altersgemischt, wie „alt“ ein Team ist, ist zumeist nicht vom biologischen Alter abhängig. Doch immer waren die Teams zuerst da: Es waren immer die GemeindebürgerInnen, die mich anriefen und um Unterstützung bei der Gründung bzw. Erweiterung einer Bibliothek ersuchten. Nur einmal rief ein Bürgermeister an, der aber nannte einen sechsstelligen Betrag, den die Gemeinde für die Bevölkerung in eine Bibliothek investierte.

Die Öffentliche Bücherei in Kirchdorf hat viele EinwohnerInnen auf ihrem Weg zum Lesen, zur Sprach- und Lesekompetenz begleitet; vor beinahe 20 Jahren starteten zwei engagierte, junge Frauen dieses Erfolgsprojekt mit Obstkisten als Regalen. Auch das will ich nicht verschweigen, auch das ist Geschichte, auch das ist eine Erfolgsgeschichte. 


"Die Öffentliche Bücherei in Kirchdorf hat viele EinwohnerInnen auf ihrem Weg zum Lesen, zur Sprach- und Lesekompetenz begleitet."

 

Nun sind die politisch Verantwortlichen am Zug, die finanzielle Ausstattung der Bibliotheken zu prüfen, über Anstellung(en) des ausgebildeten Personals nicht nur zu diskutieren und die Kernfrage zu stellen: „Was ist unserer Gemeinde Lesekompetenz Wert. Wir wissen, dass das Lesen nicht erst mit dem Zusammenlauten von Buchstaben beginnt und wir wissen auch, dass das lebensbegleitete Lernen viel mit Lesen und damit ausreichend geöffneten Öffentlichen Bibliotheken zu tun hat.“

Viele Erfolgsgeschichten

Bibliothekarin X. ist jetzt selbst Trainerin in einem Ausbildungslehrgang für ehrenamtliche und nebenberufliche BibliothekarInnen. Eine Tiroler Erfolgsgeschichte, vielleicht Alltag, in jedem Fall ein Beleg dafür, wie wichtig Ausbildung ist. Übrigens: Diese Ausbildung ist für die TeilnehmerInnen kostenfrei, das BMUKK finanziert sowohl den Aufenthalt, Vollpension, als auch die gesamten Kurskosten incl. Exkursionen und AutorInnenlesungen.

 

Christina Repolust, 30-09ä-2013
bearbeitet: Andreas Markt-Huter, 01-10-2013

 

Dr.in Christina Repolust ist Leiterin des Referats für Bibliotheken und Leseförderung der Erzdiözese Salzburg (Christina.repolust@seelsorge.kirchen.net)

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