Die Brüder Löwenherz - Tod als Thema in der Kinder- und Jugendliteratur

Der Beitrag gibt einen Überblick über das Thema Tod in der Kinder- und Jugendliteratur am Beispiel von Astrid Lindgrens Die Brüder Löwenherz. Es wird der Frage nachgegangen, wie sich Tod als Thema in der Kinder- und Jugendliteratur entwickelt hat. Die Fragestellungen werden auf der Grundlage der Auswertung von Fachliteratur und Internetrecherchen diskutiert.

Vor dem 19. Jahrhundert benützte man das Thema des Todes als Erziehungsmittel in Warngedichten und -geschichten. Im späten 19. Jahrhundert wurde das Thema des Todes in der Kinder- und Jugendliteratur stark tabuisiert. Im Ergebnis wird aber deutlich, dass Astrid Lindgren im Jahre 1973 mit ihrem Roman Die Brüder Löwenherz das Todesthema in der Kinder- und Jugendliteratur in ein ganz anderes Licht rückt. Vielen Kritikern musste Lindgren standhalten, aber es muss gesagt werden, dass sie mit diesem Werk einen Stein ins Rollen gebracht hat. Ab diesem Zeitpunkt kann Tod nicht mehr als Tabuthema bezeichnet werden.

Darstellung des Themas Tod in der Kinder- und Jugendliteratur vor Astrid Lindgren

Das Todesmotiv spielte in der Literatur seit der Antike immer eine wichtige Rolle. Allerdings gab es bis zur Zeit der Aufklärung im 18. und 19. Jahrhundert keine spezifische Kinder- und Jugendliteratur. Während allerdings

im 18. und 19. Jahrhundert die Kinder- und Jugendliteratur den Tod als "Erziehungsmittel in den Warngedichten und -geschichten" (O`Sullivan 2000, S. 71) instrumentalisiert, begann im späten 19. Jahrhundert die Tabuisierung des Todes in der Kinder- und Jugendliteratur. Die Versachlichung des Todes der realistisch-didaktischen Kinder- und Jugendliteratur ab den 1960/70er Jahren war die Reaktion auf diese Entwicklung. (O`Sullivan 2000, S. 71f.)

(Vgl. Gierke: Der Tod. Online unter http://www.kinderundjugendmedien.de/index.php/stoffe-und-motive/358-tod [08.03.2016]

Darstellung des Themas Tod bei Astrid Lindgren

Die Frage nach dem Tod war ab dem 19. Jahrhundert  in der Kinder- und Jugendliteratur ein großes Tabuthema, bzw. wurde auch nie richtig aufgearbeitet. Deshalb galt Lindgrens Buch zuerst als sehr umstritten. Schwedische Zeitungen fragten, ob Kinder das Thema des Todes bzw. die Frage nach dem Tod überhaupt verkraften könnten. (Vgl. Haas 1995, S. 49 f.)

Auch sahen Politiker in dieser Thematik eine Aufforderung zum Selbstmord und über die Veröffentlichung des Romans wurde heftig diskutiert. (Vgl. Edström, 1997, S. 256)

Aber anhand der Anzahl der verkauften Exemplare konnte man erkennen, dass das Buch viele Leser begeisterte und auch für junge Leser hilfreich war. Das Buch „Die Brüder Löwenherz“ zählt somit auch zu den Bestsellern, wie auch beispielsweise das von Astrid Lindgren verfasste Buch „Ronja Räubertochter“. (Vgl. Haas 1995, S. 49 f.)

Darstellung des Themas Tod in der Kinder- und Jugendliteratur nach Astrid Lindgren

Nach dem Erscheinen ihres Romans Die Brüder Löwenherz und dessen großen Erfolg verfassten auch weitere Autoren  Kinder- und Jugendbücher, die sich mit dem Thema Tod bzw. dem Verlust eines Verstorbenen auseinandersetzten. Um den Tod auch für ganz kleine Kinder begreifbarer zu machen, wurden Bilderbücher angefertigt, weiters auch erzählende Kinder- und Jugendbücher bis hin zu Adoleszenzromanen für junge Erwachsene.

(Vgl. Gierke: Der Tod. Online unter http://www.kinderundjugendmedien.de/index.php/stoffe-und-motive/358-tod [30.03.2016]

Die Brüder Löwenherz

Beschreibung des Werks

Das Werk ist in deutlich erkennbaren Erzählschritten aufgebaut.

Zu Beginn des Buches lernt der Leser Karl Löwenherz, auch Krümel genannt, und seinen älteren Bruder Jonathan Löwenherz kennen. Krümel ist schwer krank und hat furchtbare Angst zu sterben. Jonathan tröstet ihn und verspricht ihm, dass er nach seinem Tod im Jenseitsland Nangijala weiterleben könne. Doch es kommt anders - nicht der schwerkranke Krümel stirbt zuerst, sondern sein Bruder, der sich mit ihm aus dem brennenden Haus retten will. Krümel überlebt und ist nun sehr traurig, alleine – ohne seinen geliebten Jonathan, zu weilen.

Als auch Krümel seiner Krankheit erliegt, kommt er wirklich nach Nangijala,

dem Land der Sagen und Märchen, der Lagerfeuer und Abenteuer, weit draußen im Weltraum auf einem anderen Stern. Aber diese Vorstellung des Fernen, Fremden, Jenseitig-Anderen wird nur einmal am Ende des 4. Kapitels kurz angesprochen und nie mehr berührt. (Haas 1995, S. 50)

Die zwei Brüder wohnen im Kirschtal und unternehmen vieles gemeinsam, wie beispielsweise Fischen, Jagen und Pflanzen. Auch ist Krümel kerngesund, wie neugeboren.

Leider trügt das idyllische Gefühl von Freiheit, denn nun erfährt Krümel, dass es noch ein weiteres Tal gibt, das Heckenrosental, das der Gewaltherrscher Tengil regiert. Die Dörfler werden im Heckenrosental von Tengils Gruppe, einer Art Waffen-SS, gefangen gehalten.

Jonathans Aussage ist die eigentlich ethische Botschaft des Buches: „Es gibt Dinge, die man tun muß (sic.), weil man sonst kein Mensch ist, sondern nur ein Häuflein Dreck.“ (Haas 1995, S. 50)

Jonathan,  der einem Märchenprinzen gleicht, macht sich auf ins Heckenrosental, um die Bewohner vom Leid des bösen Herrschers Tengil zu befreien.   

„Der so thematisch auf das Widerspiel von Tyrannei und Widerstand, Brutalität und Humanität hin angelegte große Mittelteil ist bestimmt durch Abenteuer, Kampf und Opferbereitschaft. Am Ende geht das Böse, symbolisch bezeichnet durch die Untiere Katla und Karm, zwei furchterregende Drachenwesen, zugrunde.“ (Haas 1995, S. 50)

Beim Bekämpfen des Bösen spielt zwar Jonathan eine große Rolle, aber auch Krümel und einige andere sind am Sieg beteiligt.

Das Buch ist wie auf einem sich wiederfindenden Faden aufgebaut. Der Schlussteil führt zum Anfang zurück. Jonathan kämpft mit dem Drachen Katla und wird von diesem Ungetier vergiftet. Auch kann er sich nicht mehr bewegen – er ist gelähmt. Jetzt kann er sich vorstellen, wie sich Krümels Leid angefühlt haben muss.

Aber es gibt noch eine Lösung und zwar den Sprung ins neue Land Nangilima. Krümel muss nun das Gleiche für seinen Bruder tun, das er auch für ihn getan hat. Er nimmt ihn und sie springen in ihre neue Existenz, in der Jonathan auch wieder geheilt ist. (Vgl. Haas 1995, S. 50)

 Interpretation des Themas        

Nach dem Tod ist das Leben nicht vorbei. Astrid Lindgren sieht ihn als Lebensabschnitt. Zuerst lebt man auf Erden, danach kommt man nach „Nangijala“ und weiters lebt man in „Nangilima“. In diesen „Welten“ ist man von jeglichen Krankheiten, die zuvor den Körper befallen haben, geheilt und es ist dort wunderbar, weil man auch über Fähigkeiten verfügt, die zuvor nicht gekonnt wurden - Krümel kann beispielsweise in „Nangijala“ reiten und schwimmen.

Das Buch umfasst nicht nur den Bereich des Todes, sondern beinhaltet auch weitere Elemente, wie zum Beispiel die räumliche und zeitliche Unbestimmtheit. Der Leser bzw. die Leserin weiß nicht, wo „Nangijala“ liegt oder zu welcher Zeit dieses „Märchen“ spielt. Weiters beinhaltet das Buch die Themen Mut und Tapferkeit, Freundschaft und Treue und auch der Glaube kommt nicht zu kurz. Kinder können sich in diesem Roman mit Rittern, Ungeheuern und Drachen befassen. (Vgl. Krastina u.a. 2008, S.31)

Meiner Meinung nach ist die Darstellung des Jenseits sowohl im Buch als auch im Film Die Brüder Löwenherz nicht von christlich – traditionellen Vorstellungen geprägt. Leider wird in der Sekundärliteratur diese Unterscheidung oft unterschlagen bzw. die Hauptthematik des Buches wird mit „Tod und Glaube“ bezeichnet. Für mich ist der Aspekt des konfessionell gebundenen Glaubens nicht nachvollziehbar, Lindgren schafft viel mehr eine tröstliche Phantasiewelt für das Jenseits. Wahrscheinlich war zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung des Buches genau dieses Fehlen des im traditionellen Sinn Religiösen so ungewöhnlich, dass das Buch auch teilweise negativ diskutiert wurde.

Text: Julia Pinter

Titelbild: Astrid Lindgren - Wikipedia/Gemeinfrei

Literatur:

Printmedien

Edström, Vivi (1992). Astrid Lindgren. Vildtoring och lägereld. Stockholm: Raben und Sjögren Verlag

Haas, Gerhard (1995). Wo liegt Nangilima? Astrid Lindgrens „Die Brüder Löwenherz“ In: Kinder- und Jugendliteratur im Unterricht – Ein Sonderheft der Zeitschrift PRAXIS DEUTSCH. Deutschland: Friedrich Verlag

Weitendorf, Silke (2008): In keinem Land außerhalb von Schweden ist Astrid Lindgren so populär wie in Deutschland. Über eine lebenslange Freundschaft. In: Frauke Schade (Hg.): Astrid Lindgren – Ein neuer Blick: Kinderkultur, Illustration, Literaturgeschichte. Berlin: LIT Verlag

Sintja, Krastina, Schacht Kathleen, Sievert Franziska (2008): Die Brüder Löwenherz. Ein Gemälde zum Thema Tod und Glauben. Interpretation des Themas In: Frauke Schade (Hg.) (2008): Astrid Lindgren – Ein neuer Blick: Kinderkultur, Illustration, Literaturgeschichte. Berlin: LIT Verlag

Film

Olle, Hellbom (1977): Die Brüder Löwenherz: Drehbuch: Astrid Lindgren

Internet

Anon. (2007) Stockholm rätselt über uneheliches Kind. Online unter http://www.focus.de/kultur/buecher/astrid-lindgren_aid_228484.html: [24.4.2016]

Gierke, Alina, M.A. (2012): Der Tod. Online unter http://www.kinderundjugendmedien.de/index.php/stoffe-und-motive/358-tod [08.03.2016]

Oetinger Verlag (o.J.): Über Astrid Lindgren. Online unter http://www.astrid-lindgren.de: [15.2.2016]

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