Mobbing in der KJL: Philipp darf nicht petzen

Da die Kinder heutzutage im Fernsehen ständig mit Gewalt konfrontiert werden, sie diese aber auch in der Schule, am Schulhof oder in ihrer Freizeit erleben, gehört diese zum Alltag vieler Kinder und Jugendlicher.

Seit den Achtzigerjahren gehören Mobbing und Gewalt zu den zentralen Themen der problemorientierten Jugendliteratur. Auch die Kinderliteratur hat seit den Neunzigerjahren dieses Thema aufgegriffen, und es gibt eine Vielzahl an Büchern dazu.

Im Mittelpunkt der meisten Texte steht die Gewalt zwischen Schülern und Schülerinnen. Es werden die unterschiedlichsten Gewaltformen wie Mobbing, Amoklauf oder Gewalt gegen Außenseiter behandelt. In vielen Texten kommen die Opfer zu Wort und erzählen ihre Geschichte. Das Thema Mobbing wird oft aufgegriffen, ohne es zu verharmlosen. In einigen Büchern nehmen Lehrer die Rolle des Unwissenden ein. Oft wirken sie machtlos und passiv. Aber auch über die Rolle von Schulkollegen und von Freunden, die nur zusehen und nicht eingreifen oder unterstützen, wird in vielen Erzählungen geschrieben. Während also viele Texte aus der Sicht der Opfer die täglichen Schikanen und Hänseleien schildern, gibt es einige Jugendromane, in denen die Täter zu Wort kommen und die Geschichten aus der Täter-Perspektive erzählt werden. In vielen Werken sind die Ängste der Opfer und die Beweggründe der Täter genau geschildert. In der untersuchten Kinderliteratur werden teilweise auch Lösungen für diese Probleme angeboten, die aber nicht immer unbedingt nachahmenswert sind.

Bei diesen Büchern handelt es sich um literarische Texte und nicht um soziologische Sachbücher. Viele dieser Bücher laden zu Diskussionen ein und können präventiv im Unterricht eingebaut werden. Aber auch bei konkreten Anlassfällen können sie mit Schülern gelesen und Lösungsansätze besprochen werden. Auf jeden Fall sollten die Bücher von Pädagogen mit Bedacht ausgewählt und eingesetzt werden. (vgl. Mikota, 2011).

„Philipp darf nicht petzen“ von Manfred Mai

Philipp, ein Volksschulkind, geht auf einmal nicht mehr gerne in die Schule. Er hat Angst vor seinen Klassenkameraden Tommi, Hannes und Ramon, die ihn täglich schikanieren und sogar erpressen. Philipp traut sich weder seiner Lehrerin, die er sehr gerne hat, noch seiner Mutter etwas davon zu erzählen. Die drei Mitschüler haben es ihm verboten, jemandem etwas von den Vorfällen zu erzählen und Philipp will auch nicht petzen. Er hat Angst vor ihnen. Zwei Wochen lang nehmen sie ihm jeden Tag das Jausenbrot weg. Dann knöpfen sie ihm so lange Geld ab, bis auch sein Taschengeld fertig ist. Danach drohen sie ihm sein Fahrrad zu demolieren, wenn er am nächsten Tag kein Geld bringe. Philipp ist verzweifelt, da er mit niemandem darüber sprechen kann. Morgens täuscht er Bauchweh vor, damit er nicht in die Schule muss. Nach langem Zureden seiner Mutter, vertraut er sich ihr an, aber er nennt keine Namen. Die Mutter schildert der Lehrerin am Telefon die Lage. Sie gibt ihrem Sohn noch einmal fünf Euro, um die Mitschüler ruhig zu stellen und bringt ihn mit dem Auto zur Schule. Die Lehrerin erzählt in der Klasse von den Vorfällen und spricht von Diebstahl und Erpressung. Doch auch der Lehrerin nennt Philipp aus Angst die Namen der Täter nicht In der Pause darauf wird er neuerlich erpresst und bedroht. Im Pausenhof stellt die Lehrerin die Jungs zur Rede, doch sie versuchen sich durch Lügen aus der Affäre zu ziehen. Philipp wird weiter erpresst. Aus Verzweiflung wird er selbst zum Dieb und stiehlt Geld aus der Geldtasche seiner Mutter. Als diese ihn ertappt, nennt er endlich die Namen der schlimmen Buben. Am nächsten Schultag werden die drei Erpresser und Philipp zur Schulleiterin zitiert. Auch ein Polizist wurde angefordert. Die Täter leugnen vorerst die Taten begangen zu haben, doch nun springt Philipp über seinen Schatten und erzählt alles. Nun gestehen die drei Übeltäter. Die Schulleiterin will mit dem Polizisten die weitere Vorgehensweise besprechen. Sie ermahnen die drei Jungs und fordern sie auf, Philipp in Zukunft in Ruhe zu lassen.

Sehr anschaulich wird in diesem Buch eine Erpressung in einer Schule geschildert. Die Angst und Verzweiflung des Opfers, die Reaktionen der Erwachsenen und mögliche Lösungen der Schule werden angesprochen. Fraglich ist, ob eine Standpauke der Schulleiterin und des Polizisten ausreichen, die Übergriffe dauerhaft zu stoppen. Weitere Sanktionen oder Lösungen werden nämlich nicht angesprochen. Die gut geschriebene Geschichte um ein heikles Thema ist liebevoll illustriert. Durch den einfühlsamen Schreibstil  und den positiven Ausgang der Geschichte wird den Lesern geholfen, den Schrecken zu minimieren. Die Geschichte kann in der Schule und zu Hause viel Gesprächsstoff zu diesem Thema liefern.

Literaturliste

Primärliteratur

De Kinder, J. (2014).Tomatenrot oder Mobben macht traurig.(1.Aufl.).Zürich: Atlantis

Kolloch, B., Zöller,E. (2013).Viktoria ist stark! (1.Aufl.).Bindlach: Loewe

Mai,M. (2009).Philipp darf nicht petzen. (1.Aufl.).Würzburg: Arena

Neubauer, A. (2012). So was von fies. (1.Aufl.).Wien: Ueberreuter

Nöstlinger, C. (1996) Die feuerrote Friederike. (2.Aufl.).Wien: Dachs

Szillat,A.,Cordes,M. (2011) Du gehörst nicht dazu. (1.Aufl.) Münster: Coppenrath

Wildenhain,M.,Marcus,E. (2015) Alle gegen Lukas. (1.Aufl.) Ravensburg: Ravensburger

Sekundärliteratur

Alsaker,F., (2012) Mutig gegen Mobbing in Kindergarten und Schule. (1.Auflage) Bern:Huber

Guggenbühl, A., Herzer, C., (2014) Über Ausgrenzung, und wie sich Kinder dagegen wehren können. Zürich: Atlantis
http://shop.ofv.ch/_uploads/misc/9783715206790_unterlagen_48294.pdf (19.02.2017)

Mikota,J. (2011) Gewalt in der Kinder- und Jugendliteratur.
www.alliteratus.com/pdf/ges_gew_gewalt.pdf (05.02.2017)

Rank, S., Lama, B., Mengele,K. (2013) Mobbing in der Schule vorbeugen, erkennen und beenden. (1.Auflage) Breisgau: Kreuz

Springer,G. (2015) Gewaltfreie Kommunikation muss gelernt werden. Der Standard, 26. März, S.10

Wachs, S., Hess, M., Scheithauer, H., Schubarth, W. (2016) Mobbing an Schulen. Erkennen-Handeln-Vorbeugen. (1. Aufl.) Stuttgart: Kohlhammer

Windisch, W. (2015) Mobbing in der Schule. Aggression Raum geben-Gewalt vermeiden. Gesundheitsförderung in Kindergarten und Schule. 05/06. S. 5f.

Text: Gudrun Mayr-Bergant

Grafik: Arena

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