Albert Ennemoser, Bunte Geschichten

Immer wieder machen sich in der Malerei Sequenzen selbständig und werden zur Literatur. Aus Bildbeschreibungen, Paint-Journalen oder Katalogvorgaben nehmen zwischendurch Texte Reißaus und flüchten in einen eigenen Erzählband, der dann vielleicht „Bunte Geschichten“ heißt.

Albert Ennemosers knapp dreißig Geschichten spielen sich entlang von Ausstellungen, Installationen, Kunsthandwerken oder Kunstreisen ab. Oft reist das sehende Auge einem Kunstobjekt nach, erörtert eine Theorie, ehe es mit dem Objekt in Kontakt tritt. Und manchmal spricht das Kunstwerk zurück oder sein Schöpfer gibt ein paar Ideen zur Arbeitsweise zum Besten.

Die bunten Geschichten sind nicht nur thematisch lose verbunden, zumal immer wieder Illustrationen aus der Kunstszene den Text bereichern, auch das erzählende Ich zieht sich als ziemlich konzise Erscheinung durch das Buch, ständig auf der Suche, immer wieder am Absprung, oft auch von Unverständnis aufgerieben.

Am aufregendsten sind natürlich die grotesken Begebenheiten, die in Literatur und Malerei gleich wahrscheinlich sind. „Das Gehirn“ ist schon lange nicht mehr so gefeiert worden wie in dieser ersten Geschichte, zumal offensichtlich das alpine Hirn seine höchste Kraft entfaltet, wenn man es isst.

Es gab Zeiten und Orte, da war es gute Sitte, das Gehirn der frisch verstorbenen Verwandten mit etwas Gewürz, soweit vorhanden, im Ganzen oder in Scheiben gebraten den Lebenden als rituelle Festspeise zu servieren. Alles, bis zur letzten Windung, durfte verspeist werden, um sich den guten Geist des Verstorbenen einzuverleiben. (7)

Der sarkastische Kommentator weist darauf hin, dass sich zwar das Essverhalten, nicht aber das Gehirn verändert hat und dass die höchste Leistung des Gehirns darin besteht, ständig ans Essen zu denken.

Dieser Zweifel an den intellektuellen Fähigkeiten von Kunst-Rezipienten zieht sich durch viele Erzählungen. Entweder gibt die Kunst Milch, um dem Publikum zu gefallen, und verliert dabei ihre Konsistenz, oder das Publikum wird angesichts der Kunst renitent und wendet sich ab.

Manchmal muss jemand erst gestorben sein, ehe sich der Kunstzugang enträtseln lässt wie beim Vater des erzählenden Ichs, der einen Stein vermacht und den Sohn zu einer neuen Auseinandersetzung mit ihm als Vater zwingt.
Manchmal geht das Schlitzohrige des Kunstmarkts in pure Banalität über, wenn etwa leere Kisten als Kunstwerk ausgestellt werden, damit sich das Publikum von der Kunst abwendet.

Was haben Gipfelkreuze mit Kultur zu tun, wie kann man auf den Spuren Picassos wandeln, ohne ihn nachzuäffen, kann man den Traum von einem Schäferroman auch außerhalb des Schäferromans überleben?

Grotesk wie „das Gehirn“ zu Beginn der Sammlung fällt auch die Erzählung vom „Furz“ gegen Ende hin aus. Jeder Mensch hat schon einmal diesen berühmten Furz gelassen, der den Kreator aus den eigenen Angeln gehoben hat. In einem Saal, der für Kunst genützt wird, lässt Hochwürden einen berühmten Furz, der der Kunstsituation angemessen ist. Der Bedienerin, die gerade den Kaffee serviert, graut, zumal es sich auch physikalisch gesehen um ein großes Ding handelt. (117)

Albert Ennemoser entwickelt mit seinen bunten Geschichten eine durchaus eigenständige Farbenlehre des Erzählens.

Albert Ennemoser, Bunte Geschichten. Erzählungen mit Illustrationen
Weitra: Bibliothek der Provinz 2015, 144 Seiten, 15,00 €, ISBN 978-3-99028-460-5

 

Weiterführende Links:
Bibliothek in der Provinz: Albert Ennemoser, Bunte Geschichten
Homepage: Albert Ennemoser



Helmuth Schönauer, 16-10-2015

Bibliographie

AutorIn

Albert Ennemoser

Buchtitel

Bunte Geschichten. Erzählungen

Erscheinungsort

Weitra

Erscheinungsjahr

2015

Verlag

Bibliothek in der Provinz

Illustration

Albert Ennemoser

Seitenzahl

144

Preis in EUR

15,00

ISBN

978-3-99028-460-5

Kurzbiographie AutorIn

Albert Ennemoser, geb. 1948 in Inzing, lebt in Telfs.