Alfred Paul Schmidt, Aus dem Grenzenlosen komm ich mir entgegen

Eine hohe Erzählkunst erkennt man daran, dass sich der Autor überflüssig macht, klont oder frisch gleich im eigenen Text untertaucht.

Alfred Paul Schmidt erzählt mit süffisanter Raffinesse, wie sich ein Autor selbst im Weg steht und sich dann selbst aus dem Weg räumt. Zu diesem Zweck wählt er das Genre des literarischen Insiderromans, der vorgibt, nur ausgewählte Insider der literarischen Szene könnten das Geflecht an Intrigen, Vorspiegelungen und Verhöhnungen verstehen.

Man sollte vor dem Roman das Nachwort von Reinhard Urbach lesen, darin wird nämlich das Konzept einer fiktiven Künstlerbiographie dargestellt bis hin zu einem Werkverzeichnis, das aus Fake gemacht ist.

Der Roman selbst erzählt dann von den Schlieren und Zutaten, die es braucht, um einen Künstler in der Provinz zu installieren. Ein pubertierender Mittelschüler nennt sich über Nacht „Dai“ und inszeniert sich in der Folge als Künstler. Durch diesen Kunstgriff werden auch die Nachbarn, Freunde und Zeitgenossen zu einer Inszenierung und zu Kunstmenschen.

Über Jahre baut sich eine Künstlerfreundschaft zu einer Schriftstellerin auf, die fast alles Geschriebene abstoßend findet. „Ich gehöre leider wie auch das kollektive Unterbewusstsein zu den Feiglingen“ (23) fasst Dai zusammen und erklärt wenig später sein Schreibprogramm:

Man existiert in der Beobachtung von sich selbst. (27)

Wer einmal die Fährte der Provinz aufgenommen hat, wird aus dem Herumschnüffeln nicht mehr herauskommen. Zentrum dieser Schnüffel-Kunst ist Schenn, eine etwas vulgäre Fassung von Schön, worin sich Graz vermuten lässt.

Damit in der Provinz rund um Schenn etwas passiert, muss es zuerst dem Grafen vorgelegt werden, der die Sache dann mit seiner Frau bespricht und fallweise lobbyiert. Ob Abfangjäger, Jagd oder Kulturzentrum, erst wenn die näselnden Herrschaften ihren Senf dazu gegeben haben, kann die Sache stattfinden.

Dai beschreibt naturgemäß mit Hingabe diese Ausfälligkeiten, wobei manche seiner Werke nur als Gerücht existieren wie das berüchtigte „Nachmittag eines Betrunkenen“. Allerhand Auftragsstücke und die sogenannten See-Romane machen den Künstler schließlich zu einem gern gesehenen Bonvivant.

Mit etwas Seitenblick auf den Mittelstreifen der literarischen Autobahn lassen sich für den Leser allerhand Parallelen zur sogenannten echten Literatur erkennen, Peter Handke oder Gerhard Roth sind verlässliche Paten für verrückte Stücke. Und auch der Titel „Aus dem Grenzenlosen komm ich mir entgegen“ kann spielend mit der Sekundärliteratur über die Spinntisiererei in der steirischen Literatur mithalten.

Alfred Paul Schmidt geht dem Literaturbetrieb an die Wäsche, ohne deshalb untergriffig zu sein.

Alfred Paul Schmidt, Aus dem Grenzenlosen komm ich mir entgegen. Roman, mit einem Nachwort von Reinhard Urbach
Graz: Keiper 2015, 262 Seiten, 28,70 €, ISBN 978-3-902901-80-4

 

Weiterführende Links:
Edition Keiper: Alfred Paul Schmidt, Aus dem Grenzenlosen komm ich mir entgegen
Wikipedia: Alfred Paul Schmidt

 

Helmuth Schönauer, 09-01-2016

Bibliographie

AutorIn

Alfred Paul Schmidt

Buchtitel

Aus dem Grenzenlosen komm ich mir entgegen

Erscheinungsort

Graz

Erscheinungsjahr

2015

Verlag

Keiper Verlag

Seitenzahl

262

Preis in EUR

28,70

ISBN

978-3-902901-80-4

Kurzbiographie AutorIn

Alfred Paul Schmidt, geb. 1941 in Wien, lebt in Graz.