Andreas Pargger, kindheit am fluss

Es sind manchmal diese schiefrig-aufmüpfigen Sätze, die einem sofort vor Augen führen, dass hier jemand die Sache des Schreibens ernst nimmt und dran bleiben wird: „ich bin so traurig, ich könnte / schreiben.“ (39)

Andreas Pargger steigt dem Leser mit seinem Lyrik-Band gleich ordentlich ins romantische Gemüt. Unter dem beschaulichen Titel „Kindheit am Fluss“ setzt die Lyrik mit einem ganz und gar nicht erwarteten Bild ein:

ich wünschte meine eltern wären tot. / das auto sei um den baum gewickelt. / mamas kopf liegt auf der scheibe. / das gesicht von papa ist eingedrückt vom lenkrad. (7)

Hier befreit sich das lyrische Ich von allen Klischees, dass eine Kindheit schön sein müsse wie vielleicht das Leben. Im Sound des Knaben Wunderhorns wird eine Unfallmeldung vorgetragen, das Tabu der Elternliebe durchbrochen und der Tod in seiner lasziven Auswirkung kindlich-logisch besungen.

Dieser coole Umgang mit dem Sterben findet sich auch im Gedicht vom Selbstmord wieder, wo das lyrische Ich alles richtig macht, um endlich aus dieser Welt zu scheiden und sich richtig freut, am nächsten Tag als tot entdeckt zu werden.

Nach diesem existenziell-harschen Einstieg folgen unter den Abteilungen „Frühling“ und „Sturm und Nacht“ Gedichte voller Liebessehnsucht, Hormon-Ausstoß und erotischer Kommunikation.

Ein unscheinbares Mädchen sitzt unter frühlingshungrigen Leuten „draußen am inn“ (27), da nimmt es rauchend einen eleganten Brustzug und der ganze Tag wird größer.

Als befreiendes Leitmotiv für verquickte Situationen dient oft eine Balkontür, die für die seelische Lüftung geöffnet und gegen die Fluten der Welt geschlossen wird. Das Programm dieser poetischen Attacken lässt sich oft mit Schlüsselwörtern verankern. Nachtflimmern, Morgenkuss, Unter Weiden, Novalis, Bergwand oder Scherbe bringen die Seele immer in Aufruhr und gegen die Wetterfühligkeit der Psyche gibt es nicht immer ein Rezept.

So endet der Zyklus mit dem wunderschönen Gedicht von der Kraft eines Phönix.

ich verbrenne das feuer. / mit dem holz von mama. / in der asche bin ich groß. / hock dort, ein vogel. 89)

In den Zeichnungen von Othmar Eder tauchen die Gedicht-Motive sporadisch auf, ehe sie in einem graphischen Sound von Rippungen, Schraffuren und Gebüsch-Mobiliar in freier Zeichennatur verschwinden.

„kindheit am fluss“ ist ein bemerkenswertes, auf Anhieb eigenständiges lyrisches Lebenszeichen eines Autors, dem man den scharfen Atem wünscht, an der Sache dranzubleiben.

Andreas Pargger, kindheit am fluss. Lyrik der Gegenwart 28. Mit Zeichnungen von Othmar Eder.
St. Wolfgang: Edition Art Science 2013. 91 Seiten. EUR 11,-. ISBN 978-3-902864-17-8.

 

Weiterführende Links:
Edtion Art Science: Andreas Pargger, kindheit am flus
Homepage: Andreas Pargger
Homepage: Othmar Eder

 

Helmuth Schönauer, 11-03-2013

Bibliographie

AutorIn

Andreas Pargger

Buchtitel

kindheit am fluss

Erscheinungsort

St. Wolfgang

Erscheinungsjahr

2013

Verlag

Edition Art Science

Reihe

Lyrik der Gegenwart 28

Illustration

Othmar Eder

Seitenzahl

91

Preis in EUR

11,00

ISBN

978-3-902864-17-8

Kurzbiographie AutorIn

Andreas Pargger, geb. 1986 in Lienz, lebt in Lienz und Leipzig.<br />Othmar Eder, geb. 1955 in Kufstein, lebt in Stettfurt.