Axel Karner, Der weiße Zorn

Von den Geschlagenen, wie die Beatniks jenseits aller Epochen genannt werden, haben wir gelernt, dass ungeheurer Zorn nur mit dem Langgedicht halbwegs ausgedrückt werden kann. Ein Langgedicht hat keinen Anfang und kein Ende und umkreist wie eine Möbiusschleife sich selbst.

Akel Karner macht mit einem Langgedicht diesem weißen Zorn Luft, der vermutlich jeden Künstler heimsucht, wenn die Schaffenskrise nicht mehr weg geht und alles in Frage stellt. Weißer Zorn ist dieser Zustand der verdichteten Zeichenlosigkeit, wie er in der Informationstechnik als weißes Rauschen auftritt.

In einem Prolog wird die Bedrohung ausformuliert, die einem Künstler schon von Geburt an als Damoklesschwert über dem Haupte schwebt, „töne machen“ soll das Kind und auf den Spuren von Bach wandeln zum Wohlgefallen aller.

In siebzehn Anrufungen versucht der Held nun zurechtzukommen mit einem Auftrag, den er nicht versteht. Irgendwie ist er zwischen alle Konnotations-Schichten der Erde geraten, er hat Wind im Haar und ihm ist nach Klagen, Weinen, Sorgen und Zagen. (10) Schreiend kommt der Held auf die Welt, hat wohl die Diphterie und der Arzt erweckt ihn noch einmal zum Leben mit dem Gebet: Liebster Herr, gib ihm das Leben.

Aus dem kaputten Kind wird dann noch ein großer Suchender, der sich durch die Künste schlägt, in einem Auge irgendetwas Göttliches im Sinn, im anderen Ohr die Musik. In ständigen Anrufungen und mit spitzen Gebetspartikeln versucht sich eine lyrische Seele freizuspielen von den Korsetten Kunst und Religion.

Lahmes Ross“ // Krähen hacken dem Kranich gleich / auf dem Rücken das Mark. / Lange vorm Tod, / weiß ich, / schleift mein Gedächtnis / alle Messer / am Stein des Gedenkens. (29)

Auf einem Nagelbett voller Information gibt es kein Entrinnen mehr aus der Wissens-Folter, wie kommt der Held aus dieser weißen Ohnmacht heraus? – Abspann, Abspann ruft es, aber die Helden sind schon aufgebahrt in der Zeit.

Alles geht irr. […] Wer einen Vogel hat, lässt ihn grüßen. (33)

Im Epilog taucht der Engel vom Anfang wieder auf, die Parole heißt lapidar:

küssen und schreien, das Beste vom Fleisch! (37)

Axel Karner evoziert mit seinem spitzen, scharfen Gedicht tatsächlich einen „weißen Zorn“, die Poesie ist zwischendurch angespannt, dass das Weiße aus den Adern hervortritt. Teile eines geschnetzelten Ichs kämpfen mit religiösen Vorgaben, andere mit musikalischer Harmonie. Ein Zitathaufen im Anhang zeigt eine ziemlich ausgemergelte Gefühlsgegend. Johann Sebastian Bach, Mario Vargas Llosa oder Alexander Widner steuern beispielshaft Flüche und Anrufungen bei, die nur eines im Sinn haben, aus dieser Kunst hinauszufinden, die einen so heftig heimsucht.

Axel Karner, Der weiße Zorn. Ein Gedicht
Klagenfurt: Wieser Verlag 2015, 37 Seiten, 14,80 €, ISBN 978-3-99029-162-7

 

Weiterführender Link:
Wieser Verlag: Axel Karner, Der weiße Zorn
Wikipedia: Axel Karner

 

Helmuth Schönauer, 17-12-2015

Bibliographie

AutorIn

Axel Karner

Buchtitel

Der weiße Zorn. Ein Gedicht

Erscheinungsort

Klagenfurt

Erscheinungsjahr

2015

Verlag

Wieser Verlag

Seitenzahl

37

Preis in EUR

14,80

ISBN

978-3-99029-162-7

Kurzbiographie AutorIn

Axel Karner, geb. 1955 in Zlan / Kärnten, lebt in Wien.