Barbara Aschenwald, Omka

Was für ein Rätsel! Omka. Eine Zauberformel, ein verloren gegangenes Märchen, eine Figur?

Barbara Aschenwald verführt mit diesem seltsamen Titel und zwingt den Leser geradezu hinein ins Buch, wo sich gleich das nächste Rätsel auftut. Am See wird eine bewusstlose Frau gefunden, und als man sie genug reanimiert hat, sagt sie nur Omka.

Zur gleichen Zeit liegt ein gewisser Josef im Spital, man hat ihm die Brust geöffnet und die Lunge verstärkt, er ist nämlich ein Typ, der an Frischluft erstickt. Jetzt lernen einander die erinnerungslose Omka und der Luft-stabilisierte Josef kennen und lieben.

Die Liebe muss ziemlich echt sein, wenn sie ohne persönliche Daten gelingt, denn erst allmählich taucht das frühere Leben von Omka auf. Sie hat eine Auszeit von ihrer Arbeit genommen, hat gerade eine Scheidung hinter sich, wollte sich vielleicht umbringen oder nicht und heißt Omka, weil in dieser entlegenen russischen Stadt ihre Mutter sie das erste Mal im Bauch gespürt hat.

Je mehr Omka von sich in Erfahrung bringt, umso rastloser wird sie. Zuerst einmal will sie unbedingt ein Kind, weil das vielleicht ihrer Gemütslage am nächsten kommt. „Ich bin eine Frau ohne Seele und Füße“ sagt sie mehrmals zu ihrem verdatterten Josef und versteckt dabei die Füße unter einer Decke.

Nach vier missglückten Schwangerschaften kommt endlich Jonas auf die Welt, aber die Unruhe setzt erst jetzt richtig ein. Einmal kommt Omka bei einer Kirche vorbei und legt eine Zufalls-Beichte ab, weil sie glaubt, es ist ein hilfreiches Ritual. Ein andermal kauft sie rote Schuhe wie aus dem Märchenland und lässt sie im Seidenpapier eingewickelt. Und auch starkes Betrinken zusammen mit Josef, der im Rahmen einer kleinen Hochzeit ihr Mann geworden ist, bringt nicht die entscheidende Lösung, denn Omka kriegt nicht heraus, was es ist, das sie nicht findet.

Der leere Gefühlskrug geht so lange zum See, bis er bricht, könnte man mit Omka sagen.

Omka erschlägt ihren Jonas mit einer Pfanne und reizt anschließend die Alarmabteilung, bis sie erschossen wird. Suicide by Proxy, Selbstmord auf Bestellung heißt der Abschließende Befund.

Nach dieser aufregenden Geschichte, worin eine in der Hilflosigkeit einer Ehe überkochende Seele letztlich implodiert, sind Leser und Autorin gleichermaßen geschafft. „In jedem Volk, in jedem Land gibt es kluge Leute, die sagen, man solle nicht zu viel reden, denn Worte hätten Kraft, und man dürfe sie nicht verschwenden. Aber darf man das als Geschichtenerzählerin glauben?“ (221)

Barbara Aschenwalds Omka ist die Lösung eines Rätsels, das in jedem von uns schlummert, das wir aber selten anzusprechen wagen: Nämlich was ist wirklich los mit meiner Seele.

Barbara Aschenwald, Omka. Roman.
Hamburg: Hoffmann und Campe 2013. 220 Seiten. EUR 20,60. ISBN 978-3-455-40432-6.

 

Weiterführende Links:
Verlag Hoffmann und Campe: Barbara Aschenwald, Omka
Wikipedia: Barbara Aschenwald

 

Helmuth Schönauer, 22-03-2013

Bibliographie

AutorIn

Barbara Aschenwald

Buchtitel

Omka

Erscheinungsort

Hamburg

Erscheinungsjahr

2013

Verlag

Hoffmann und Campe

Seitenzahl

220

Preis in EUR

20,60

ISBN

978-3-455-40432-6

Kurzbiographie AutorIn

Barbara Aschenwald, geb. 1982, lebt in Schwaz.