Bernhard Aichner, Tirol

Zwischen Grönland und Patagonien, zwischen Tuwa und dem Tschad ist klar, wie ein repräsentativer Fotoband auszusehen hat. Zum Unterschied von einer Fahne oder einem Wappen, welche jeweils eine historisch-politische Minimalinformation absondern, ist ein RFB (Repräsentativer Fotoband) absolut ohne historische oder politische Information. Er hat nur eine Aufgabe: schön zu sein.

Im Falle Tirols, das ja in sich ja aus Schönheit besteht, wird ein Fotoband an manchen Stellen oft so schön, dass es auf der Netzhaut schmerzt, ehe das Bild zerschmilzt.

Im aktuellen Fall täuschen die Autoren gar nicht lange am Publikum herum, sie stellen in Wort und Bild die Berge und Täler, Burgen und Schlösser, Kirchen und Kapellen in den Mittelpunkt ästhetischer Kompositionen.

Dabei ist selbst der Einheimische zwischendurch von der Ästhetik mancher Kleinodien überrascht: eine Schneedächerlandschaft über Innsbruck, eine weiße Wipfel-Orgie quer in den Wald geknipst, eine Autobahnbrücke in die Grashalme einer Bergwiese hinein gedrückt, ein Gipfelkreuz mit verwittertem Hintern. Bernhard Aichner komponiert seine Bilder, er verlegt den Rahmen so gut es geht in das ausgesuchte Motiv hinein. Daher laufen bei ihm auch manchmal Stromkabel durch die Landschaft, Ruinen sieht man die Förderung an, die das Denkmalamt in sie gesteckt hat, und auch die diversen Trachten sind in ihrer Hygiene jenseits von jedem Alltagsleben.

Ach diese Trachten-Aufmärsche! So wie wir Nordkorea unverwechselbar am Paradeschritt erkennen, wissen wir auch sofort, dass wir in Tirol sind, wenn uns diese von der Sonne zusammengekniffenen Gesichter aus einem Trachten-Auflauf heraus anglotzen. Und blättern wir um, gaffen wir schon in eine Fasnacht-Maske, die uns als das edle Ur-Gesicht des Tirolers leer den Blick zurückgibt.

Das Erzählmodell von Bernhard Aichner und Georg Hasibeder ist vielleicht höchst raffiniert. Sie stellen eine solche Schönheit dar, dass der Betrachter sofort darauf hingewiesen wird, dass es gelogen ist. Der Betrachter seinerseits sucht nun unlogische Stellen in der Schönheit und entdeckt so die Wahrheit. Durch das Verunreinigen der absoluten Schönheit beim Betrachten entsteht dann wohl erst die Realität.

Das Buch ist nicht als Aufklärung sondern als Bebilderung einer offensichtlich in der aktuellen Ideologie angesiedelten Wunschrealität gedacht. Tirol als Bildband ist das ideale Geschenk, wenn man darin blättert, hört man das Knattern der Landesfahne und die Salutschüsse diverser Luftschützen. Das Buch liegt schwer repräsentativ in der Hand und vermittelt Freude. Eine Devotionalie für Götter der Ästhetik! Allein schon wegen dieses Bildbandes muss man entweder Tiroler werden oder es bleiben, wenn man es schon ist.

Bernhard Aichner, Tirol. Mit Texten von Georg Hasibeder. [Fotogr. Mitarb.: Bernhard Geiler].
Innsbruck: Haymon 2011. 288 Seiten. EUR 39,90. ISBN 978-3-85218-698-6.


Weiterführende Links:
Haymon-Verlag: Bernhard Aichner, Tirol
Wikipedia: Bernhard Aichner

 

Helmuth Schönauer 21/01/12

Bibliographie

AutorIn

Bernhard Aichner

Buchtitel

Tirol

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2011

Verlag

Haymon-Verlag

Illustration

Bernhard Geiler

Seitenzahl

288

Preis in EUR

39,90

ISBN

978-3-85218-698-6.

Kurzbiographie AutorIn

Bernhard Aichner, geb. 1972 in Osttirol, lebt in Innsbruck.

Georg Hasibeder, geb. 1977, ist Programmleiter des Haymon Verlags.