Bettina Balàka, Unter Menschen

Ähnlich wie die Literatur können Kultur-Tiere (Hunde) durchaus eine Gesellschaft rezipieren und darauf reagieren. Die Literatur gibt diesen Künstler-Tieren dann den entsprechenden Auftritt.

Als Ur-Geschichte einer solchen Transformation menschlichen Verhaltens durch den Hund gilt Marie von Ebner-Eschenbachs Novelle Krambambuli, wo ein Hund zwischen Erst- und Zweitherren im Gehorsam zerrissen wird und sich schließlich für den Erstherren entscheidet.

Bei Bettina Balàka beginnt der Hundsroman wie eine Reportage aus den Randlagen Mitteleuropas. Eine ungarische Familie züchtet Welpen und fährt damit regelmäßig nach Österreich, wo diese aus dem Kofferraum heraus verkauft werden. Gerade das österreichische Herz fährt auf alles ab, was klein ist wie ein „Problemerl“, sobald etwas groß ist, wird es selbstverständlich verstoßen.

Aus einem Dutzend-Wurf sticht Berti heraus, vielleicht weil er beinahe proletarisch und hundsgewöhnlich ist. Was Krambambuli nur einmal passiert, passiert Berti ein Dutzend Mal. Immer wieder kommt er zu Familien, Singles, Diabetikern oder Muttersöhnchen und muss dann wieder zurück in ein Tierheim, weil mit den Hundehaltern etwas schief läuft.

Jedes Mal muss er seinen Namen ändern, und auch der Chip im Ohr hilft nicht viel, er wird einfach neu aufgeladen wie ein animalischer USB-Stick. Als Rocco oder Zorro bleibt er stets ein Stück schwarzer Fell-Haufen, der sich der jeweiligen Situation anpasst. Sogar als es ihm an die Nüsse gehen (156) und er kastriert werden soll, hat er Glück, weil sein aktueller Herr rechtzeitig an einem diabetischen Anfall verstirbt.

Aus der Sicht des Hundes tun sich Abgründe von menschlichen Schicksalen auf. Kinder wollen ihn als Geschwisterchen und sind enttäuscht, als der rechtmäßige Besitzer auftaucht. Die Züchter nehmen ihn als Ware und zeigen dabei die menschliche Schattierung, dass sie einfach etwas zum Überleben brauchen.

Ein übergewichtiger Lebensgeist kriegt den Hund zum Geschenk, damit er durch seine Spaziergänge beim Äußerln ein wenig in Bewegung kommt. Eine Liebschaft mit exotischen Ausuferungen empfängt den Hund als Trostpflaster für andere fixe Gefühle, die sich leider als zerbrechlich herausstellen.

Der Hund als heimliches Erzähl-Auge führt den Leser durch alle Etagen menschlichen Zusammenlebens. Dabei kommt es zu Verknüpfungen und Amtsübergaben wie in Schnitzlers Reigen, freilich wird hier oft nur die Hundeleine weitergereicht und die Geschichte geht weiter.

Bettina Balàka erzählt in diesem Roman eine Menge über die Psyche von Hunden und schiebt dabei scheinbar zufällig menschliche Abbildungen durch die Szenerie. Tatsächlich lassen sich Menschen durch ihre Tiere abbilden und es ist kein Zufall, dass das Gesicht des Schnüfflers und jenes des Beschnüffelten sich immer ähnlicher werden.

Hundeliebhaber werden von der ersten Seite an zum Zerschmelzen gebracht, distanzierten Hundebeobachtern tut sich plötzlich eine seltsame Herzklappe auf: Ja, ein Hund ist oft ein geheimer Mensch!

Bettina Balàka, Unter Menschen. Roman.
Innsbruck: Haymon 2014. 328 Seiten. EUR 19,90. ISBN 978-3-7099-7040-9.

Weiterführende Links:
Haymon Verlag: Bettina Balàka, Unter Menschen
Wikipedia: Bettina Balaka

 

Helmuth Schönauer, 02-09-2014

Bibliographie

AutorIn

Bettina Balàka

Buchtitel

Unter Menschen

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Haymon Verlag

Seitenzahl

328

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-7099-7040-9

Kurzbiographie AutorIn

Bettina Ballàka, geb. 1966 in Salzburg, lebt in Wien.