Dietmar Füssel, Der Strohmann

Alles, was wir von Amerika kennen, kennen wir meist über die Abflugschneisen von Hollywood und dem Weißen Haus. Dabei wird an manchen Tagen kein Unterschied zwischen Politik und Film gemacht, alles unterliegt der Dramaturgie einer ungeheuren Groteske.

Dietmar Füssel wählt in seinem Kriminalroman „Der Strohmann“ einen scheinbar blauäugigen Zugang, indem er seinem Privatdetektiv Winston einen Fall von nationalen Dimensionen überträgt. In Wirklichkeit ist diese groteske Erzählform natürlich eine kluge Anmache, um den perversen Machtverhältnissen auf die Spur zu kommen.

Detektiv Winston ist so etwas wie ein Parsifal unter den Ermittlern, er ermittelt so wortgenau und naiv, dass er oft auf Zusammenhänge stößt, die ihm selbst gefährlich werden. Seit er eine Verbindung zwischen Gangstertum und Politik entdeckt hat, ist nichts mehr vor seinen Recherchen sicher. Tatsächlich bittet ihn auch bald ein Gangster, ihm bei der Installation eines Strohmannes für das Weiße Haus zu helfen. Als dies schief geht, kandidiert Winston gar selbst für die Präsidentschaft, damit genug Strohköpfe als Strohmänner auf der Bühne stehen. Er scheitert jedoch kläglich und muss am Ende froh sein, dass er nicht als psychiatrischer Sonderfall lebenslänglich weggesperrt wird.

Im Roman sind politisches Talent und kriminelle Energie stets ausgetauscht, was beide Welten erhellt. Quasi als Leitfigur für beide Welten dient immer noch Richard Nixon, der mit seinem Stil das ganze Land und seine Krimi-Literatur für Jahrzehnte verändert hat. Da sich politische Botschaften am besten als Kriminalfälle erzählen lassen, wimmelt es naturgemäß nur so von Anspielungen und hypochondrischen Deutungen.

Winston übererfüllt seine vorgegebenen Paradigmen als Detektiv, weshalb er ständig scheitert. Es beginnt schon damit, dass er sich Fische hält statt eines Kampfhundes, dass er das Bordell „Erotic Pigs“ beim Namen nimmt und sich darin wie ein Schwein aufführt. Indem er den Stil rauer Ermittler imitiert, schießt er meist über das Ziel hinaus, der Rest gerät ihm zur Floskel. So soll er einmal ganz sexistisch die Körpermaße einer Frau angeben und bleibt beim Busen hängen, ihm fällt ums Verrecken nicht ein, wie groß eigentlich der Hüftumfang ist.

Überhaupt werden die Figuren wie zur Fahndung ausgeschrieben stilisiert, allein mit den Daten kann kein Mensch etwas anfangen. Das Kostüm einer Barfrau etwa ist grottenschlecht, ist jetzt auch der Whisky schlecht? Winston ist überfragt. Sagt uns der Anzug des Strohmanns etwas über seine politischen Absichten? Auch hier müssen wir Leser passen.

Dietmar Füssel zeigt in seiner Groteske eine perfekt inszenierte Präsidentschaftswahl, die vor allem für die Bespielung der Medien gedacht ist und deshalb zu einem Meta-Hollywood führt. Das Rückgrat des Kriminalromans erweist sich als sehr biegsam, so dass man dieser Erzählform allerhand Probleme aufbürden kann. - Eine groteske Entlarvung des Krimikultes.

Dietmar Füssel, Der Strohmann. Kriminalroman
Hohen Neuendorf: AAVAA Verlag 2015, 199 Seiten, 11,95 €, ISBN 978-3-8459-1577-7

 

Weiterführende Links:
AAVAA Verlag: Dietmar Füssel, Der Strohmann
Wikipedia: Dietmar Füssel

 

Helmuth Schönauer, 07-02-2016

Bibliographie

AutorIn

Dietmar Füssel

Buchtitel

Der Strohmann

Erscheinungsort

Hohen Neuendorf

Erscheinungsjahr

2015

Verlag

AAVVAA

Seitenzahl

199

Preis in EUR

11,95

ISBN

978-3-8459-1577-7

Kurzbiographie AutorIn

Dietmar Füssel, geb. 1958 in Wels, lebt als Bibliothekar und Schriftsteller in Ried/OÖ.