E. W. Bichler, Die Formel

Ein Buchumschlag wie eine Formel, der Autor stark verkürzt auf die Buchstaben E. W. und Binder, der Titel als Programm, Inhalt und Aufmacher: Die Formel.

Schon vom Umschlag her reißt es einen in dieses Formel-Buch des Osttiroler Autors [Eckehard] Bichler, straff und magisch wie eine Formel legt ein Ich-Erzähler los. Der erste Eindruck ist, hier kommt Midland in Stilfs über eine Tiroler Verstörung ins Hinterzimmer von Thomas Bernhard.

Diese Bernhard‘schen Schwingungen sind aber durchaus passabel, weil nichts nachgeäfft wird sondern im Gegenteil der kalte Schmerz des Bernhard-Kosmos mit dem alpinen Kitsch der Bergsommerfrische aufgekocht wird.

Der Ich-Erzähler Kluibenschädel, aus dem Ötztal gebürtig, zieht sich für einen Erlebnisurlaub mit der eigenen Seele in ein karges Bergdorf zurück, wo es nur die nötigsten Dinge gibt: Wirtin, Essen, Prozession und jede Menge Kulisse. Hier trifft er auf den Physiker Grünberg, mit dem er nach anfänglichem Zögern eine intellektuelle Urlaubsfreundschaft aufbaut. Eigentlich ist Grünberg Strom-Physiker und ganz eigentlich vielleicht Elektroinstallateur. Er leidet unter irren Kopfschmerzen und arbeitet an der sogenannten Weltformel, über die er aber nichts Genaues sagen kann.

In der Folge unternehmen die beiden Ausflüge ins Gebirge oder zu einem nahen See und diskutieren über Gott und die Welt.

„Sollen wir noch das Mischehenproblem angehen, weil wir vorher über die Mischehe gesprochen haben?“ (68)

Die beiden reden oberflächlich betrachtet ziemlich unbefangen miteinander, in Wirklichkeit gibt Grünberg geheimnisvolle Regularien vor, die nicht immer leicht zu durchschauen sind. Freilich ist immer wieder Platz für eine Lebensweisheit: „Kaffee ist ein Blasenfüller!“.

Besonders geschätzt wird die so genannte Nachprozession, man ist allein und kann die echte Prozession nachempfinden. Die wahren Verstörungen Grünbergs kommen in Nebensätzen zum Vorschein. „In der Bastelkammer war immer geheizt, Großvater sagte, ziehe auch die Unterhose aus.“ (93)

Schließlich reist Grünberg ab, der Erzähler verlässt ein paar Tage später das Dorf, ohne etwas von Formel erfahren zu haben. Am Ende taucht noch der Brief von Grünberg auf, in dem er von seinem neuen Arbeitseinsatz als Leitungsinstallateur redet, von der schlimmen Zeit der Nazis und Großvaters Bastelkammer und dass er sich einen passenden Baum sucht, um das alles inklusive Weltformel zu beenden.

E.W. Bichlers Erzähl-Formel ist tatsächlich geheimnisvoll und aufregend. In einer Mischung aus trivialem Ambiente, zwangloser Urlaubsdramaturgie und Sätzen von hoher „Physikalität“ entsteht eine Geschichte, die man als Leser teils schmunzelnd, teils aufgewühlt, teils mit dem Gestus eines Bernhard-Fans abnickt. – Schön, zwanglos, verschmitzt.

E. W. Bichler, Die Formel.
Lienz: Eigenverlag 2012. 99 Seiten. EUR 12,90. ISBN 978-3-200-02711-4.

 

Helmuth Schönauer, 08-01-2013

Bibliographie

AutorIn

E. W. Bichler

Buchtitel

Die Formel

Erscheinungsort

Lienz

Erscheinungsjahr

2012

Verlag

Eigenverlag

Seitenzahl

99

Preis in EUR

12,90

ISBN

978-3-200-02711-4

Kurzbiographie AutorIn

Eckehard Bichler, geb. 1949 in Innsbruck, lebt in Lienz.