Florian Neuner, Inseltexte

Inseltexte sind eine beinahe magische Gattungsbezeichnung für einen Inhalt, der vielleicht zwischen Insel der Seligen und Mullinsel aufgestellt ist.

Florian Neuner nimmt den Begriff „Inseltexte“ einerseits sehr wörtlich, wenn es um eine Flussinsel im Ruhrgebiet oder um Helgoland geht, andererseits sind diese Inseltexte auch etwas Hermetisches, das in einem anderen Medium schwimmt wie ein Fetttropfen auf dem Wasser.

Gleich der erste Text stellt nahezu programmatisch vor, wie dieses Insel-Denken funktionieren könnte, wo es Andockstellen zur Umgebung gibt, und wie man diese Inseln aufbrechen könnte, um an ihr semantisches Fleisch zu gelangen. „oder: verflucht!“ nimmt die Füllungen unter die Lupe, mit denen ein marodes Gebiss aufgefrischt werden muss, um die volle sprachliche Kauwirkung zu ermöglichen. 

Schreiben heißt Ordnung schaffen! (7)

Diese Parole wird zu einem allgemeingütigen Zitat, das jenes Treiben schmückt, womit sich ein Erlebnisstrom zwischen Gaststätten und Lektüre ausdenken lässt. Für den Text ist es egal, ob seine Quelle in einem Lokal liegt oder aus der Lektüre anderer Literaturen stammt, in jedem Fall muss das zu Tage Geförderte ständig neu abgepackt oder korrigiert werden. In dieser Passage sind Zeilen extra aufgerufen, um sie zu streichen, Schreiben heißt auch aufräumen.

„An der böhmischen Küste“ ist der Flusslandschaft und dem Inselwerk von Krumau (CZ) gewidmet, deren größter Analyst Walter Pilar ist. Es gibt jede Menge Anspülungen, die sich als Vorstufe von Literatur auffassen lassen. Gerade die „Literatur ohne Sujet“ (32) hat „kein Ziel, außer den Text wachsen zu lassen“. „Ich täusche Zusammenhänge vor, wo keine sind,“ sagt das kommentierende Ich ganz ungeniert und fasst die Lage dann in einem angeschwemmten Kalauer zusammen:

Wassersport am Tag – Saufen in der Nacht! (43)

Der Text „Helgoland“ ist luftig wie eine Insel aus Verwitterung aufgebaut, oft sind es Notizen, Schlüsselwörter, abgestochene Gedanken, die in der elliptischen Schroffheit auf die Wortkette Verwitterung, Abtragung, Küstenschutz hinauslaufen.

Ein Fließtext über die Emscher-Passage im Ruhrgebiet setzt mit der Erleichterung ein, diese Insel überhaupt gefunden zu haben. Daraus entwickelt sich eine formidable Beschreibung der Vorgänge, die in den Text einfließen (Fließtext,) daneben sind auch Ikonen der Absenz abgebildet, leer getrunkene Gaststätten, Quartiere im Totstell-Modus, Fragmente von Brachland.

In einem Ausblick „darüber hinaus“ werden wesentliche Aspekte der Inseltexte so drapiert, dass sie von sich aus ironisch in die Zukunft schauen.

Also, Insellösungen sind eigentlich gar keine Lösungen, weil sie Problemstellungen immer nur für einen eng begrenzten Bereich anbieten können & weil Übertragungen auf andere Felder nicht möglich sind. Also: Integration statt Insellösung. (180)

Florian Neuners Inseltexte sind ein eruptives Manifest, das fallweise politisch, historisch oder dogmatisch gelesen werden kann. Es ist der Leser, der entscheidet, ob er diesen Inseltext als Robinson Crusoe oder als Invasion der Wurmgesichter (Robert Heinlein) betreten will. – Eine gelungene Aufforstung der Lesefläche!

Florian Neuner, Inseltexte
Wien: Klever 2014, 176 Seiten, 17,90 €, ISBN 978-3-902665-82-9

 

Weiterführende Links:
Klever Verlag: Florian Neuner, Inseltexte
Literaturport: Florian Neuner

 

Helmuth Schönauer, 26-01-2016

Bibliographie

AutorIn

Florian Neuner

Buchtitel

Inseltexte

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Klever Verlag

Seitenzahl

176

Preis in EUR

17,90

ISBN

978-3-902665-82-9

Kurzbiographie AutorIn

Florian Neuner, geb. in Wels/Oberösterreich leibt seit 1995 in Berlin.