Franz Tumler, Aufschreibung aus Trient

Es gibt Romane, die sind aus einem unerfindlichen Grund öfter vergriffen als zugänglich, obwohl sie die erzählten Meilensteine eines gewissen Landstücks sind. Andererseits fordert diese Vergriffenheit die Leser heraus, die aktuelle Ausgabe neu zu lesen und zu würdigen.

Franz Tumlers Roman „Aufschreibung aus Trient“ aus dem Jahre 1965 gilt neben Joseph Zoderers Roman „Die Walsche“ (1982) als eine der literarischen Gesetzestafeln Südtirols. Im Rahmen der Werkausgabe ist Tumlers Meisterwerk jetzt wieder zugänglich, aufgeschlossen durch ein Nachwort von Sieglinde Klettenhammer, in dem sie vor allem das politische Engagement des ansonsten in politischer Hinsicht vorsichtig gewordenen Franz Tumler hervorhebt.

Im Roman wird die Reise eines Ich-Erzählers mit einer Frau in den Süden jäh bei Trient durch einen Unfall unterbrochen. Jetzt, gerettet und versorgt, kommen die beiden in einem engen und heißen Hotelzimmer in einem anderen Zustand zu sich, sie werden in der Brennkammer des Zimmers quasi historisch aufgebacken.

Auf nichts ist letztlich Verlass, das Ich spaltet sich in diverse Personen, es kann den Widerstandskämpfer Cesare Battisti genauso meinen wie einen entfernten Verwandten oder die Meinung aus den Medien. Das Ich erschrickt sogar, „dass ich redete, wie man einer Zeitung nachredet.“ (81)

Das Aquarium des Zusammenlebens in dieser Gegend ist geprägt von der Mehrsprachigkeit des Überlebenswassers, denen die einen mit Kampf begegnen, die anderen mit Verständnis, indem sie beispielsweise die Sprache des anderen erforschen und würdigen. Der Kampf Battistis gegen die Habsburgerei scheint eine Neuauflage mit anderen Vorzeichen zu erfahren, indem die sogenannten Bumser Aufruhr erzeugen, gefoltert werden und ihrem Prozess entgegensehen. Battisti hat diesen Prozess schon hinter sich, er erklärt aus der Sicht des Gehenkten, dass es nicht leicht ist die Wahrheit zu finden.

Der Ich-Erzähler empfindet seine Geschichte wie jene des Landes als Unfall, etwas Ungeplantes hat den Zug in die Zukunft verzögert.

Aber ich kann es nicht aufschreiben so. ich habe es oft erzählt. (32)

Erst durch das oftmalige Erzählen entsteht dann so etwas wie die gültige Geschichte.

Je nüchterner man ist, umso eher stellt sich die Sage ein. (95)

Franz Tumlers Aufschreibung aus Trient scheint bei jeder Neuauflage noch reifer, zurückgenommener und magischer geworden zu sein. Dieser Roman reift mit der Geschichte mit, die er erzählt, das ist sein Geheimnis!

Franz Tumler, Aufschreibung aus Trient. Roman. Mit einem Nachwort von Sieglinde Klettenhammer.
Innsbruck: Haymon 2012. (= Franz Tumler Werkausgabe). 344 Seiten. EUR 22,90. ISBN 978-3-85218-742-6.

 

Weiterführende Links:
Haymon-Verlag: Franz Tumler, Aufschreibung aus Trient
Wikipedia: Franz Tumler

 

Helmuth Schönauer, 12-01-2013

Bibliographie

AutorIn

Franz Tumler

Buchtitel

Aufschreibung aus Trient

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2012

Verlag

Haymon-Verlag

Seitenzahl

344

Preis in EUR

22,90

ISBN

978-3-85218-742-6

Kurzbiographie AutorIn

Franz Tumler, geb. 1912 in Gries bei Bozen, lebte in Linz und Berlin, starb 1998 in Berlin.