Hans Platzgumer / Didi Neidhard, Musik ist Müll

Manches um uns herum ist so permanent unauffällig anwesend wie der Blutdruck, dass wir es erst wahrnehmen, wenn wir und bewusst daran heranmachen.

Hans Platzgumer und Didi Neidhard stellen eine verrückt klare Gleichung in den Hör-Raum: Musik ist Müll. Der Essay verwendet dabei eine einfache Szene, wie sie am Kontinent täglich millionenfach vorkommt, der Vater bereitet für den Sohn eine schnelles Frühstück und der Sohn lässt vom Smartphone „Plastik-Musik“ herunter rauschen.

Bei dieser Gelegenheit kommen die entscheidenden Fragen wie von selbst. Was ist mittlerweile in der Musikszene anders geworden als es noch vor zwanzig Jahren gewesen ist?

Das Hauptmerkmal der Szene ist heutzutage die permanente kostenlose Verfügbarkeit der Musik. Selbst wenn jemand ein bezahltes Download benützt, muss ein Musiker im Monat 258 Millionen Hörer auftreiben, um über Tantiemen das offizielle Existenzminimum von monatlich 773,- EUR zu lukrieren.

Musik wird von vorneherein als Müll angelegt, nach ein paar Wochen wird sie entsorgt, meist in einer Cloud, wo sie keinerlei Substanz mehr aufweist. Früher war Musik erst dann Müll, wenn die Kassette eierte und nicht mehr abgespielt werden konnte. Heutzutage wird ein Großteil der Musik bereits verworfen, noch ehe sie überhaupt auf die Strecke geschickt werden konnte. Darin gleicht Musik den Lebensmitteln, die ja teilweise auch schon am Feld noch vor der Ernte entsorgt werden.

Während es früher Fans, konkrete Namen und Meinungen zur Musikszene gab, wissen die heutigen User gar nichts darüber außer dem Datum des Downloads. Die einzige Äußerung über die Musik besteht aus dem Gefällt-mir-Daumen, der permanent ins Netz gedrückt wird.

Die Autoren treten in diesem Essay als Ich-Erzähler auf, der dem gegenwärtigen Zustand keinerlei Schuld zuweisen möchte, denn das Müll-Konzept ist mittlerweile das Kulturkonzept der Gesellschaft geworden. Während in der Welt Pop-Musik „gepflegt“ wird, ist Österreich ein Afterland, worin Popo-Musik vorherrscht (70), man denke nur an die öffentlichen Sender Ö3 oder FM4.

Neben politischen, ästhetischen und Alltags-relevanten Komponenten wird im Essay auch das Urheberrecht angesprochen. Wie kann es ein persönliches Urheberrecht geben, wenn doch die kreativen Äußerungen in Form von „Eingebung“ und „Geistesblitz“ zuerst von außen in das Genie eingedrungen sind?

Solange die Abspielgeräte mit miesestem Smart-Klang schneller weggeworfen werden als die darauf heruntergeladene Musik, kann man von beidem als Müll sprechen. Das Recyceln von Müll ist die einzige Kreativität, die uns geblieben ist. - Kühn und wahr!

Hans Platzgumer / Didi Neidhard, Musik ist Müll. Essay.
Innsbruck: Limbus 2012. 124 Seiten. EUR 10,-. ISBN 978-3-902534-65-1.

 

Weiterführende Links:
Limbus-Verlag: Hans Platzgumer / Didi Neidhard, Musik ist Müll
Wikipedia: Hans Platzgumer

 

Helmuth Schönauer, 03-12-2012

Bibliographie

AutorIn

Hans Platzgumer / Didi Neidhard

Buchtitel

Musik ist Müll

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2012

Verlag

Limbus-Verlag

Seitenzahl

124

Preis in EUR

10

ISBN

978-3-902534-65-1

Kurzbiographie AutorIn

Hans Platzgumer, geb. 1960 in Innsbruck, lebt in München und am Bodensee.<br />Didi Neidhardt, geb. 1963, ist Musikjournalist in Salzburg.