Harald Darer, Schnitzeltragödie

Wenn es mit dem „Schnitzal“ Probleme mehliger, bröseliger oder eiiger Art gibt, wird das in Österreich bald einmal zu einem Problem und kann in eine Tragödie münden.

Harald Darer nennt seinen Roman patriotisch-kühn „Schnitzteltragödie“, dabei gibt es auch Probleme mit dem Leberkäs, den Forellen und den Krusten allgemein. Man ahnt es schon, in diesem Roman hat ein österreichischer Alltagsheld ordentlich zu leiden, bis er gegen Abend hin mit dem Alltag durch ist.

Die Struktur des Romans gleicht einer behördlich überwachten Zwangsräumung einer Wohnung. Was immer der Held auch angestellt hat, jetzt steht er als frustrierter Ich-Erzähler am Klingelbord seiner ehemaligen Wohnanlage und nimmt das Schildchen mit seinem Namen aus der Halterung.

Beim Aufräumen fällt jede Menge altes Zeitungspapier an, das schmerzhaft noch einmal jene Schlagzeilen und Werbespots verströmt, die einst den Sinn des Lebens ausgemacht haben. Die Bewusst-Robust-Gorenje Waschmaschine ist verladen, die Firma offensichtlich in Konkurs, aber ihre robuste Schlagzeile wird den Helden noch auf den Friedhof begleiten.

Seit er sich erinnern kann, spielen Zeitungen immer eine Rolle als Papier, selten als Text. Der Vater ist offensichtlich im Auslandseinsatz im Irak gewesen, als es mit diesem noch um Waffen-Geschäfte ohne Waffenanwendung gegangen ist. Die heimgebrachten Datteln werden immer auf Zeitungen der Mur- und Mürz-Furche ausgebreitet und stellen so einen Wirtschaftskosmos dar, bei dem Produktion, Export und Entlohnung einen steirischen Waffen-Erfolgskurs untermalen.

Dabei sind die Schlagzeilen oft recht pervers: Frau an Nudel gestorben, Wanderer von Stier schwer verletzt! (84)

So ziemlich alles, was der österreichische Zeitungsanwender liest, hat mit dem Essen zu tun, weshalb die Zeitgeschichte immer auch eine Schnäppchenjagd nach günstigen Forellen, saftigem Leberkäs oder eben dem goldenen Schnitzel-Vlies ist. Selbst so aufregende Dinge wie die Fortpflanzung werden wie ein Leberkäs organisiert, indem man etwas in den Ofen stellt und wartet, bis es knusprig herauskommt.

Ein Leben, das tagsüber so dramatisch headlinig organisiert ist, gibt auch in der Nacht keine Ruhe. Seltsame Träume tun sich auf, indem die Schlagzeilen des Tages zu Schauermärchen in der Finsternis werden.

Höhepunkt dieser Verdrängungskunst ist ein Alptraum mit Hansi Hinterseer, worin dieser als Quizmaster eine unlösbare Frage stellt. „Wir sind Hitler!“, lautet jedenfalls die Antwort. (57) Dabei sind die Spitzen seiner Fellstiefel gelb angebrunzt.

Der Erzähler räumt und räumt, die Wohnung will schier nicht leer werden, so viele Provinzgeschichten und Seitenkanäle des österreichischen Empfindungsstroms tun sich auf. Irgendwann ist dann aus dem ganzen Aufräumen und Umsortieren eine ganze Familie entstanden, Erzähler, Frau und Baby betreten quietschvergnügt die neue Heimstätte.

Harald Darer erzählt drastisch und voller Hingabe von einem Leben, das sich an Sonderangeboten und Schlagzeilen vorbeischlängeln muss.

Harald Darer, Schnitzeltragödie. Roman
Wien: Picus 2016, 229 Seiten, 20,00, ISBN 978-3-7117-2032-0

 

Weiterführende Links:
Picus Verlag: Harald Darer, Schnitzeltragödie
Homepage: Harald Darer

 

Helmuth Schönauer, 13-02-2016

Bibliographie

AutorIn

Harald Darer

Buchtitel

Schnitzeltragödie

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2016

Verlag

Picus Verlag

Seitenzahl

229

Preis in EUR

20,00

ISBN

978-3-7117-2032-0

Kurzbiographie AutorIn

Harald Darer, geb. 1975 in Mürzzuschlag, lebt in Wien.