Josef Pedarnig, Miniaturen

Manche Geschichten schaffen es spielend, eine Gegend oder einen gesellschaftlichen Landstrich unvergesslich zu porträtieren.

Josef Pedarnig nennt seine Textsammlung aus mehreren Jahren zusammengetragen schlicht Miniaturen. Damit spielt er schon auf das Hauptthema an: Was kann in einem entlegenen Soziotop ein Thema sein, wenn nicht eine Miniatur, und werden in der Entlegenheit nicht auch große Dinge zu einer Miniatur?

Die Geschichte „Eichberg“ behandelt dieses Thema von Weltgeist, Selbstbewusstsein und dörflichem Kleinquadrat im Kopf. Der sogenannte Eichberg ist in Wirklichkeit ein formidabler Hügel, der von drei Dörfern in Besitz genommen wird wie der Nordpol von diversen Anrainerstaaten. Eines Tages baut eine Gemeinde einen Schlepplift, schon folgt die nächste mit einem Sessellift und am Schluss stehen drei gigantische Bergstationen auf dem Hügel-Gipfel.

Aber nach der Aufbau-Phase gilt es, dies alles zu vermarkten, und nichts ist besser geeignet als eine überregionale Wallfahrt. Jetzt werden Heiligenbilder mit dem Schlepplift über das Gelände gekarrt, auf Sesselliften tummeln sich Weihwassersprengende Scheinheilige und am Schluss wird überhaupt wie von einer Lawinensprengbahn aus die gesamte Landschaft beräuchert und mit Devotionalien überschüttet. Auch in der entlegenen Idylle ist der Fortschritt unumkehrbar, und der religiös vergoldete erst recht.

In anderen Geschichten aus dem Kapitel „Land“ steht einmal ein „Weißer Vogel im Grünen“ und ein paar Texte weiter ein „Schwarzer Vogel im Schnee“. Was wie die Unterschrift zu einer Bildmontage klingt, behandelt jenen Augenblick, den jeder von uns schon einmal jäh erlebt hat. Ohne Vorbereitung und Ankündigung schaut dich aus nächster Entfernung etwas an, du erstarrst, und das Starrende fliegt lautlos weg. Diese Miniaturen existentiellen Schreckens starren den Leser tatsächlich von sich aus an und lassen sich nur schwer vertreiben oder überblättern.

Josef Pedarnig wählt stets schräge Eingänge zu seinen Textgebilden, er beschreibt einen Baum wie ein Theaterstück, verfliest einen Natureindruck mit urbanen Materialien oder lässt abstrakte Begriffe als Erzählerin auftreten wie im Falle der Reise.

Es ist nun einmal so, berichtet die Reise. […] Ich, die Reise, trete aus. (42)

Mit diesem Kunstgriff bestimmt nun plötzlich die Reise, was geschieht und wo es lang geht, während die Reisenden, wie oft echte Reisende auch, gefangen sind in ihren Körpern, die durch die Landschaft geschleppt werden.

Josef Pedarnig fädelt geduldig seine Miniaturen auf, vieles aus dem Weltgeist des Humanismus lässt Federn und setzt sich manierlich und dennoch frech ins Bewusstsein, „woher ich komme, da bin ich uralt“ (162) heißt es einmal unvergleichlich verlässlich. Und immer wieder geht ein Gedankengang in Augenzwinkern über, wenn es etwa bei einer Preisrede heißt:

Ich heiße Sie zu dieser allseitigen Befriedigung herzlich willkommen. (185)

Josef Pedarnig, Miniaturen. Eine Sammlung aus meiner literarischen Factorey.
Lienz: Osttiroler Bote 2011. 196 Seiten. EUR 14,50. ISBN 978-3-200-02441-0.

 

Weiterführender Link:
Homepage: Josef Pedarnig

 

Helmuth Schönauer, 25-12-2012

Bibliographie

AutorIn

Josef Pedarnig

Buchtitel

Miniaturen. Eine Sammlung aus meiner literarischen Factorey

Erscheinungsort

Lienz

Erscheinungsjahr

2011

Verlag

Osttiroler Bote

Seitenzahl

196

Preis in EUR

14,50

ISBN

978-3-200-02441-0

Kurzbiographie AutorIn

Josef Pedarnig, geb. 1937 in Schlaiten, lebt in Lienz.