Josef Steinbach, Tibor im Glück

Den besten Stoff für Literatur bietet allemal das Leben selbst und das verrückteste Glück lässt sich nur in der Literatur finden.

Josef Steinbach nimmt diese Extrem-Achsen der Literatur zum Anlass, um darin einen Fall von Glück zu installieren. Tibor im Glück wird als Vorspann in großen Lettern in das Buch gespiegelt, die Buchstaben ziehen einzeln vorbei, so dass man erst nach ein paar Seiten die Botschaft begreift: Tibor Katar widerfährt das Glück.

Wie in einem Märchen schaut zu Beginn alles trostlos und düster aus. Tibor hat am Flughafen Schwechat Aufenthalt genommen, er ist so was wie ein Nobel-Obdachloser, der die Infrastruktur des Flughafens nützt, aber nie wegfliegt. Beim Anblick eines Passagiers freilich holt ihn die Vergangenheit ein. Ein gewisser Attila ist offensichtlich wieder europaweit unterwegs, um seine schurkischen Geschäfte zu betreiben.

Tibor selbst ist seinerzeit Geschäftspartner dieses dubiosen Landsmanns gewesen und hat in ein Anti-Fett-Medikament investiert und verloren. Während es ihn in die Obdachlosigkeit gezogen hat, scheint der andere noch immer putzmunter geschäftlich unterwegs zu sein.

Tibor nützt sein soziales Netzwerk, das vor allem in Hard- und Software der Städtischen Bücherei besteht, um sich zu rächen. Über ein dubioses Toilettengespräch, das er abhört, gelangt er an wertvolle Codes, mit denen sich Millionen aus dem Offshore-Banking absaugen lassen. Ein kluger Bibliothekar, ein paar Verschlüsselungshandgriffe am PC und schon sind die Millionen auf Tibors Konto, die natürlich wieder offshore angelegt werden müssen.

Jetzt ergibt sich die schier unlösbare Fragestellung: Was macht man mit Geld, wenn man nicht darauf vorbereitet ist?

Nachdem alle Freunde mit netten Geschenken versorgt sind, ergibt sich die Möglichkeit, den verschollenen Sohn aufzusuchen, der als Künstler unterwegs ist. Dieser aber will von seinem Vater nichts wissen, erstens, weil er ihn als Künstler nicht braucht, und zweitens, weil er so einen Vater schon gar nicht braucht, Beziehungen und Geld sollte man niemals verknüpfen.

So muss Tibor das finale Glück alleine suchen. Er findet es in Gestalt eines Fernsehbeitrags, den er in einem Hotelzimmer abzappt. Zu Hause wird ein Attentat auf den Premier verübt, die Kugel trifft aber nicht den Politiker, sondern Attila, der sich als Berater wieder einmal ganz nahe an die Macht herangeschleimt hat. Ah, manches geht eben gut aus.

Josef Steinbachs Geschichte vom Tibor im Glück ist natürlich eine märchenhafte Nacherzählung jener uralten Story von Geld und Zufriedenheit. Andererseits ist es auch eine erzähltechnische Studie über das Wesen der Wahrscheinlichkeit in modernen Märchen. - Knapp, straff und mit einem gewissen moralischen Kick, wie er zeitgeistig gerne auftritt.

Josef Steinbach, Tibor im Glück.
Klagenfurt: Sisyphus Verlag 2016, 93 Seiten, 12,80 €, ISBN 978-3-901960-99-4

 

Weiterführender Link:
Sisyphus Verlag: Josef Steinbach, Tibor im Glück

 

Helmuth Schönauer, 09-05-2016

Bibliographie

AutorIn

Josef Steinbach

Buchtitel

Tibor im Glück

Erscheinungsort

Klagenfurt

Erscheinungsjahr

2016

Verlag

Sisyphus Verlag

Seitenzahl

93

Preis in EUR

12,80

ISBN

978-3-901960-99-4

Kurzbiographie AutorIn

Josef Steinbach, geb. 1941 in Wien, lebt in Klosterneuburg.