Klaus Rinner: Steger – Verwerfungen und scheues Glück

Ein Held, der von vorneherein als Medium angelegt ist, kann sich in punkto Wahrheit so gut wie alles leisten und ist der ideale Mittler zwischen Autor und Publikum.

Klaus Rinner führt seinen Steger-Kosmos, den er vor acht Jahren als „Herzensverdruss“ ausgelegt hat, mit dem Aktenvermerk „Verwerfungen und scheues Glück“ fort. Doktor Steger ist Rechtsanwalt, der aus seiner juristischen Haut nicht hinauskann, weshalb er sich die Welt juristisch deutbar zurechtlegt. Das funktioniert in den meisten Geschäftsfeldern der Gesellschaft, weil es schließlich zu jedem Thema Gesetze, Auslegungen und Gerichtsurteile gibt.

Auf der privaten Seite freilich herrschen andere Regeln. Doktor Steger bemüht sich wohl einen Roman lang, wenn nicht gar ein Leben lang, einer gewissen Anna-Lena nahe zu kommen, aber sie verschwindet immer wieder zwischen den Zeilen der weltweiten Aktenablage.

Der Vater von Anna-Lena ist ein gewisser Dr. Wilhelm, er hat ein Kriegstagebuch hinterlassen, das in manchen Passagen an die Aufzeichnungen Stegers erinnert, obwohl dieser gar keinen Krieg meistern muss. Der letzte Brief stammt aus dem Oderbruch 1945 und beschreibt das Ende der Welt. Freilich muss das Leben dann doch weitergegangen sein, denn Wilhelm liegt gut besonnt in Igls bei Innsbruck begraben.

Steger verwendet eine eigentümliche Sprache, um den flüchtigen Fakten des Alltags so etwas wie Bestand zu verleihen. Er verfestigt scheinbar belanglose Anekdoten in einem Gedankengebäude, das immer wieder nachjustiert und gegen Erschütterungen abgeschirmt wird.

Dabei sind die einzelnen Gedankenpixel zu einem großen Erzählstrom zusammengefasst, der aber jede Menge Rösselsprünge und Assoziationen aufweist. Manchmal zieht sich ein Schlüsselbegriff über mehrere Seiten hin, die sogenannte „positive Resignation“ (12) könnte so etwas wie das Leitmotiv des Erzählers sein.

Was immer auch geschieht, der Mensch muss ein Narrativ daraus machen, um das ganze auszuhalten. (104) So baut der Held immer wieder eine Erzählung um Anna-Lena herum, um ihr nahe zu sein und sie gleichzeitig von jeglichen Begierden abzuschirmen.

Klaus Rinner liefert mit seinem Erzählmodell-Steger den Beweis, dass in den wichtigen Dingen noch immer genug Druck im Reifen ist, auch wenn man die Hektik des Augenblicks daraus abgelassen hat. Die jeweiligen Gedankengänge sind daher auch stets kompakt, ruhig und metaphysisch vorgetragen, wie vor einem höheren Gericht, dem der Leser als Geschworener zugeteilt worden ist. Aus dutzenden dieser Verwerfungen des Lebensstromes ragen Begriffe hervor, die vielleicht die Spitzen eines Romans sind. Ein beeindruckend reichhaltiges Slow-down-Programm.

Klaus Rinner, Steger - Verwerfungen und scheues Glück. Roman
Innsbruck: Kyrene Verlag 2016, 110 Seiten, 13,90 €, ISBN 978-3-902873-54-5

 

Weiterführender Link:
Kyrene Verlag: Bücher

 

Helmuth Schönauer, 30-05-2016

Bibliographie

AutorIn

Klaus Rinner

Buchtitel

Steger - Verwerfungen und scheues Glück

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2016

Verlag

Kyrene Verlag

Seitenzahl

110

Preis in EUR

13,90

ISBN

978-3-902873-54-5

Kurzbiographie AutorIn

Klaus Rinner, geb. 1955 in Innsbruck, ist Rechtsanwalt in Innsbruck.