Luise Maria Schöpf, Brechen-brach-gebrochen

Manche Titel brechen einem schon beim puren Vor-sich-hin-Murmeln das Herz, weil sie es in einer brutalen Silbenfolge so richtig sagen. „Brechen-brach-gebrochen“ erinnert an ungute Situationen, wo jemand vielleicht die Sprache lernen muss, während sie ihm ein anderer einprügelt und dadurch das Rückgrat bricht.

Luise Maria Schöpf bricht ihre Gedichte und Aphorismen oft wörtlich übers Knie, und wenn dann die semantischen Splitter durch die Gegend fliegen, ist vielleicht der Gedanke frei, der in einem Wortknäuel verwürgt gewesen ist.

In vielen Gedichten geht es dabei um dieses unharmonische Auseinanderfliegen von formuliertem Sinn und erlebter Sinneskraft. Das lyrische ich wird immer wieder zerrissen, sei es durch Naturgewalten, physikalisch getrimmte Unglücke oder psychischen Implosionen, die die Seele mit den eigenen Schrapnellen verletzen.

Gefragt // antwortete er / es gehe ihm gut // Gestern war der / Pfarrer da // auch sein Kurator // Es geht mir gut / Heute habe ich mir / das Leben genommen // Nun geht es mir sehr gut! (30)

In sarkastisch kluger Weise setzt das lyrische Ich dem fehl-kuratierten Seelenheil ein Ende, beantwortet artig Floskeln mit Floskeln und tritt aus der Welt der harmonisch niedergehaltenen Kommunikation hinaus. Beinahe schon witzig ist dieser Überschlag in eine andere Form der Existenz, wenn das lyrische Ich quasi vom Jenseits aus die gut gemeinten Ratschläge ins Leere laufen lässt.

Nicht minder von falschen Ritualen gequält kommentiert eine literarisch ambitionierte Seele den Umgang im Verlagswesen. Hinter dem Design von Verlagen, Büchern und Autorinnen spielen sich oft lakonische Muster von Ablehnung und Sprachlosigkeit ab.

Auf das Manuskript // fällt Zigarettenasche. / Fast eine Urnenbestattung. / Doch vorher tritt es seinen Weg / zum neunundreißigsten Verlag an. / Die vorgedruckte Rückantwort / wird eine aufmunternde Absage sein / - wenn überhaupt. (70)

Neben diesen Gedichten von existentiellen Zertrümmerungen treten oft auch Alltagsbeschwerden mit dem Sound von Trash an die Oberfläche, wenn etwa Kuchenessende Figuren vom eigenen Bluthochdruck schwärmen, der Fallout von Fukushima in die Nasenlöcher von Hochwohlgeborenen steigt oder einfach das Gewitter über das Gebirge braust und behauptet, es sei Kitsch.

Luise Maria Schöpfs Gedichte und Aphorismen zeigen oft eine Welt, die aus dem Leim gegangen ist, spröde und heftig wie in der Biegung des Verbes brechen-brach-gebrochen.

Luise Maria Schöpf, brechen-brach-gebrochen. Gedichte und Aphorismen.
Wattens: Berenkamp 2012. 79 Seiten. EUR 14,90. ISBN 978-3-85093-923-2.

 

Weiterführender Link:
Berenkamp-Verlag-Lyrik

 

Helmuth Schönauer, 17-05-2013

Bibliographie

AutorIn

Luise Maria Schöpf

Buchtitel

brechen-brach-gebrochen. Gedichte und Aphorismen

Erscheinungsort

Wattens

Erscheinungsjahr

2012

Verlag

Berenkamp-Verlag

Seitenzahl

79

Preis in EUR

14,90

ISBN

978-3-85093-923-2

Kurzbiographie AutorIn

Luise Maria Schöpf, geb. 1935 in Innsbruck, lebt in Sölden.