Marion Schiffler, Ich war das Jadekind

Wenn in einem Landstrich wie Südtirol ein besonderer patriotischer Mythos gepflegt wird, so wird oft darauf vergessen, dass viele kreative Seelen ausgewandert sind, andere haben schon die Welt gesehen und sind dann wieder ins Gebirge heimgekehrt.

Marion Schiffler berichtet in ihrer autobiographischen Erzählung von ihrer Kindheit zwischen 1924 und 1938 in Kanton und Hongkong. Ihr Vater ist als Vertreter des deutschen Konzerns IG Farben in China stationiert, so dass es dem Kind an Wohlstand nicht mangelt.

Aus der Erinnerung gibt es feine Beschreibungen der chinesischen Kultur, etwa dass die Chinesen scheinbar wahre Meister der Dienerschaft sind, in Wirklichkeit kommt ihrer Philosophie der „Organisation organisierter Unmündigkeit“ jenem Verhalten entgegen, das die Europäer „dienen“ nennen.
Keine Gefühle zu zeigen, gilt als besondere Tugend, in der Etikette etwa gilt es als ausgesprochen obszön, den Hals zu zeigen.

Das Kind wächst geliebt und umsorgt in einem Paradies auf. So gibt es von Kanton aus Shopping-Touren nach Hongkong, Urlaube in Japan und 1934 einen Heimaturlaub in Deutschland, bei dem man bereits die Diktatur spürt und den bevorstehenden Krieg ahnt.

Wieder zurückgekehrt im Paradies in China, erlebt die Erzählerin sehr wohl den Unterschied zwischen dem liebevollen Leben indoor und dem allgemeinen Elend rundum. Nicht umsonst zeigen die Fotos, die der Vater auf seinen Dienstreisen schießt, Elend, Hunger und Lebenslethargie.

Als Japan den Krieg nach China bringt, heißt es für die Europäer fliehen, dabei formuliert die Erzählerin für den Jugendfreund eine chinesische Liebesbezeugung: Ich bin dein Jadekind.

Den Krieg erlebt die Erzählerin auf Istrien, als dieses Land von Tito befreit wird, geht es schließlich nach Meran.

Marion Schifflers Erinnerungen sind doppelt gefiltert, einmal ist es das Licht der Kindheit, das den Lebensablauf beleuchtet, und dann sind es die exotischen Einsprengsel einer Kultur, die für Europäer teilweise völlig im Dunkeln liegt.

Wie rüde Europäer mit China umgehen, erklärt im Vorwort der Herausgeber Thomas Hanifle am Beispiel des Sakkos von Angela Merkel. Sie nimmt für das Bankett in Peking völlig unberaten ein weißes Outfit, was als Farbe der Trauer gilt, und wundert sich über diese konnotierte Botschaft.

Im Nachwort stellt Thoralf Klein historische Bezüge zwischen Deutschland und China in der Zwischenkriegszeit dar und liefert einen umfangreichen Apparat von Zitaten und Querverbindungen. - Eine exotische Biographie, mitten in Südtirol entstanden.

Marion Schiffler, Ich war das Jadekind. Eine Kindheit im China der 1920er Jahre. Mit einem Vorwort von Thoralf Klein. Bearbeitet von Thomas Hanifle.
Bozen: Raetia 2012. 254 Seiten. EUR 15,90. ISBN 978-88-7283-432-9.

 

Weiterführender Link:
Edition Raetia: Marion Schiffler, Ich war das Jadekind

 

Helmuth Schönauer, 01-12-2012

Bibliographie

AutorIn

Marion Schiffler / Thomas Hanifle

Buchtitel

Ich war das Jadekind. Eine Kindheit im China der 1920er Jahre

Erscheinungsort

Bozen

Erscheinungsjahr

2012

Verlag

Edition Raetia

Seitenzahl

254

Preis in EUR

15,90

ISBN

978-88-7283-432-9

Kurzbiographie AutorIn

Marion Schiffler, geb. 1924, Kindheit in Kanton und Hongkong, 1944 Rückkehr nach Meran.