Markus Köhle, Hanno brennt

So wie es keine eindeutigen Sachverhalte gibt, gibt es natürlich auch keine eindeutigen Wörter. Am ehesten können Wortketten im Hirn eine Art Richtung des Denkens auslösen, mehr ist im Hirn nicht drin.

Markus Köhle, der mehrfach gekrönte König der Slam Poetry schafft es mit seinem Roman, Sprachkritik, Handlung und politische Logik auf die Reihe zu kriegen.

Zu diesem Zweck schickt er seinen Helden Hanno in den österreichischen Alltag der Elfer Jahre. Hanno muss sich in einer verrückt gewordenen Welt ideologisch und kapitalistisch behaupten, was liegt also näher, als mit einer kleinen Kopf-Firma der prekären Situation zu entsteigen. Die Geschäftsidee ist genial einfach und auf Österreich angepasst. Wenn schon das Haustier im Mittelpunkt gesellschaftlicher Ereignisse steht, warum dann nicht auch ein Bildungsprogramm für diese Tiere installieren?

Die beste Methode, zu Tieren in Kontakt zu treten, ist, darüber herzergreifende Geschichten zu schreiben. Hanno ergreift also den Beruf eines Tiergeschichten-Fabrikanten und verliebt sich bei der Gelegenheit in eine Managerin einer Kunstplattform. Zu Hause lebt er in einer Mini-WG, die vor allem mit Spick-Zetteln am Kühlschrank untereinander kommuniziert.

Nach einem Parforce-Ritt der Protagonisten durch alle Medien nach dem Motto: „Welcher nicht für die Kamera produzierte Geschlechtsakt war schon nicht peinlich?“ (77) greift schließlich der Österreichische Staat in gewohnt provinziell-primitiver Weise ein und beendet das kreative Treiben seiner Untergebenen.

Eine so genannte „SOKO Netz“ stürmt alle Wohnungen, die irgendwie eine passende Tür zum Aufbrechen aufweisen. Eine Truppe Medienkünstler und Tierliebhaber wird verhaftet, darunter auch eine Kommerzial-Rätin, die letztlich mit dem Muaterl-Effekt in der Presse der Behörde das Fürchten lehrt.

Jetzt sitzt Hanno in Untersuchungshaft und „brennt“, wie man so schön im Untergrund sagt. In Eingaben, Petitionen, Tagebuchaufzeichnungen und programmatischen Installationen versucht er zu begreifen, was nicht zu begreifen ist. Der Staat hat einen sogenannten Mafia-Paragraphen geschaffen, mit dem er so ziemlich alles erledigen kann, was üblicherweise im Grundgesetz gesichert ist.

Markus Köhle schafft es elegant, dem scheinbaren Ulk der Slam Poetry den Wahnsinn der Behörde gegenüberzustellen. Der Plot ist ziemlich realistisch dem Umfeld des sogenannten Tierschützer-Prozesses entnommen, die Poesie der Figuren entstammt dem Alltagsritual, mit dem die Sprache in Österreich täglich eher gehauen als verwendet wird. In wunderbaren Assoziationsketten tut sich eine Logik auf, die den Wahnsinn im Lande halbwegs zu beschreiben vermag. – Spannend, wütend, poetisch und motivierend!

Markus Köhle, Hanno brennt. Roman.
Wien: Milena 2012. 186 Seiten. EUR 17,90. ISBN 978-3-85286-219-4.

 

Weiterführende Links:
Milena-Verlag: Markus Köhle, Hanno brennt
Wikipedia: Markus Köhle

 

Helmuth Schönauer, 10-06-2012

Bibliographie

AutorIn

Markus Köhle

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2012

Verlag

Milena-Verlag

Reihe

Hanno brennt

Seitenzahl

186

Preis in EUR

17,90

ISBN

978-3-85286-219-4

Kurzbiographie AutorIn

Markus Köhle, geb. 1975 in Nassereith, lebt in Wien.