Martin Kolozs, Zur höheren Ehre

Manchmal sind es kleine Überlegungen, die eine große literaturhistorische Idee auf die Beine bringen. Lässt sich etwa die Tiroler Literatur dadurch beschreiben, dass in ihr immer wieder schizophrene Zwillinge als Priester und Dichter auftreten? Stark wäre diese Theorie, weil es ja eine gegenteilige Faustregel gibt: Die Religion verdunkelt, die Literatur erhellt!

Martin Kolozs stellt vier sogenannte Priesterdichter probehalber hintereinander und macht eine Gedankenkette heraus. Reimmichl, Bruder Willram, Josef Weingartner und Reinhold Stecher liefern fallweise verblüffende Zusammenhänge, bis auf Stecher sind sie alle Osttiroler, die Lesen und Schreiben als Religion gelernt haben, alle zweifeln in ihren Schriften zwischendurch an ihrer Begabung, halten aber dennoch in Religion und Schrift durch, Reimmichl und Reinhold Stecher sind zudem ungebrochene Best- und Longseller in Tirol, sie liefern offensichtlich eine Welt, die das lesende Tiroler Publikum sucht und durch Kauf belohnt.

Martin Kolozs nennt seine Darstellung eine „identifizierende Geschichtsschreibung“ (7), dabei versucht er, die Porträtierten in ihrer damaligen Welt zu verstehen. Dadurch kommen die Dargestellten erstaunlich gut weg, denn die Kriegsleistungen von Reimmichl und Bruder Willram sind von der strengen 68er Germanistik in den letzten Jahrzehnten ziemlich verhöhnt worden. Die 68er Germanistik geht dabei von einem Idealbild aus und schwärzt die dargestellten Autoren in ihrer Entfernung vom Idealbild an. Dabei vergisst diese Sichtweise, dass es ja seit Jahrhunderten der Sinn der Germanistik ist, als Hilfswissenschaft des jeweiligen Regimes Kriege vorzubereiten und später aufzuarbeiten.

In der Würdigung durch Martin Kolozs kriegen die Priesterdichter pragmatische Anerkennung, dabei wird ein Erklärungsversuch gestartet, wie diese Kriegsliteratur entstanden ist, in welchem Umfeld sich der Antisemitismus des Bruder Willram ausgelebt hat oder wie Reinhold Stecher als letzter Ansprechpartner der „Narvik-Generation“ gefordert worden ist, wie sich die letztlich stumm gewordenen Hitler-Krieger später genannt haben.

Das Werk der vier Dichter ist literarisch nicht gerade umwerfend, es erklärt aber, wie in der Provinz Literatur im Alltagsleben verbreitet und publiziert wird.

Martin Kolozs Buch über die „höhere Ehre“ stellt Fragen, die man zwischendurch reflexartig abgetan und erledigt hat. Seine Gedankenkette ermuntert, diese Serie durchaus ironisch fortzuführen. So gibt es den klugen Witz, wonach Felix Mitterer längst ein Priesterrockdichter geworden wäre, hatte es nicht den ORF als Volks-Ventil gegeben. Und eine andere Überlegung zielt darauf ab, dass der Tirol prägende Haymon Verlag fast ausschließlich aus Osttirolern besteht, die durchaus im Sinne Reimmichls den Verlag gegründet haben und in seinem Sinne weitermachen.

- Eine durchaus erhellende, also literarische Angelegenheit, in einer Zeit, wo die Religionsdiskussionen wieder zunehmen.

Martin Kolozs, Zur höheren Ehre. Die Tiroler Priesterdichter Reimmichl, Bruder Willram, Josef Weingartner und Reinhold Stecher, Fotos
Innsbruck: Universitätsverlag Wagner 2017, 174 Seiten, 19,90 €, ISBN 978-3-7030-0891-7

 

Weiterführende Links:
Universitätsverlag Wagner: Martin Kolozs, Zur höheren Ehre
Wikipedia: Martin Kolozs

 

Helmuth Schönauer, 28-05-2017

Bibliographie

AutorIn

Martin Kolozs

Buchtitel

Zur höheren Ehre. Die Tiroler Priesterdichter Reimmichl, Bruder Willram, Josef Weingartner und Reinhold Stecher

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Universitätsverlag Wagner

Seitenzahl

174

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-7030-0891-7

Kurzbiographie AutorIn

Martin Kolozs, geb. 1978 in Graz, lebt in Innsbruck und Wien.