Mieze Medusa & Markus Köhle, Alles außer grau

In der Pionierphase des Poetry Slam waren die Auftritte der Künstler oft ein illuminierter Wutschrei, und die ersten Bücher darüber waren unlesbare Niederschriften leicht depressiver Monologisten. Mittlerweile ist Poetry Slam eine kontinental verbreitete literarische Giga-Form mit eigener Geschichte, mitreißenden Ritualen und ausgewiesenen Experten an Bord.

Mieze Medusa & Markus Köhle zeigen mit ihren „Texten to go“, wie Ambiente, Mobilität und lokale Inszenierung eine Kunstform hervorbringen, die „alles außer grau“ ist.

Längst haben die Texte einen Tiefgang, der sich mit Essays, gestickten Lebensweisheiten oder Firmen-Leitbildern messen kann.

Aber das Schönste am Altsein ist, dass man der Jugend so viel beizubringen hat. (37)

So ist der Reader auch eine Komposition und nicht bloß eine Kompilation. Wann immer man das Buch in der Hand hält, drückt am hinteren Umschlag die CD so lange in die Handfläche, bis man sie aus der Schatulle nimmt und irgendwo einschiebt. Auf vierzehn Tracks sind wahre Slam-Geschichten zu hören, die das Duo zurückhaltend zur Aufführung bringt. Der Text steht immer im Mittelpunkt, und die Sprach-Künstler nehmen sich zurück, bis man vergisst, wer eigentlich liest.

Knapp zwei Dutzend Texte sind im Reader zu einem Gesamtkunstwerk aufgebaut. Gerätschaften wie ein verspieltes Joho, die Leseratte als semantisch ausgebeutetes Tier, Gorgonzola und Gelächter als die idealen Begleiter einer Dauer-Jause, oder Buchseiten, die sich während der Lektüre verändern, - sie alle führen zu Geschichten mit Hand und Fuß.

Ein wichtiges Element ist dabei die Ironie, Mieze und Markus fragen immer nach, ob das Medusa und Köhle auch halbwegs ernst gemeint haben. Profiteur des Ganzen ist das Publikum, das teilweise so verunsichert wird, dass es am Schluss jeden Satz ohne Genierer wörtlich glaubt.

Die Texte sind jeweils in unverwechselbare Locations eingebettet, das kann sogar ein Loch in Usbekistan sein, das die beiden anlässlich einer Slam-Performance ausgehoben haben, um Texte und sich selbst darin zu versenken.

Inszenierung und Text können sich während der Aufführung diametral auseinanderentwickeln. An einem begnadeten Abend zerreißt es vielleicht die beiden Elemente auf Nimmerwiedersehen, so dass viele Texte einmalig und Inszenierungen unwiederholbar bleiben.

Dieser Text beruhigt sich gerade, mei Text is ned deppat. (140)

Mieze Medusa & Markus Köhle haben längst den Schwarzen Dan der Anwendungen und Zitate erworben. Ein scheinbar süffig hinunterzuschluckender Text fängt unter der Bauchdecke der Bildung ordentlich zu rumoren an und verbindet sich mit anderen Zitaten und Anspielungen, bis das alles als transformierte Assoziationskette trocken abgeht, wie es sich die beiden Anspielungskünstler erwartet haben.

Und dieser ganze Frohsinn kommt schon beim Lesen zu Tage. Wie Gelächter-wild geht es erst an jenen Abenden zu, an denen Mieze Medusa & Markus Köhle auftreten!

Mieze Medusa & Markus Köhle, Alles außer grau. Texte to go. + CD
Wien: Milena Verlag 2016, 155 Seiten, 17,90 €, ISBN 978-3-90295-077-2

 

Weiterführende Links:
Milena Verlag: Mieze Medusa & Markus Köhle, Alles außer grau
Wikipedia: Mieze Medusa
Wikipedia: Markus Köhle

 

Helmuth Schönauer, 30-05-2016

Bibliographie

AutorIn

Mieze Medusa / Markus Köhle

Buchtitel

Alles außer grau. Texte to go. + CD

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2016

Verlag

Milena Verlag

Seitenzahl

155

Preis in EUR

17,90

ISBN

978-3-90295-077-2

Kurzbiographie AutorIn

Mieze Medusa (= Doris Mitterbacher ), geb. 1975 in Schwetzingen, lebt in Wien.<br />Markus Köhle, geb. 1975 in Nassereith, lebt in Innsbruck und Wien.