Otto Licha, Kripp

Manchmal sucht sich die regionale Zeitgeschichte eine Lichtgestalt, um an ihr ein Stück Gegenwart abzuhandeln.

Otto Licha greift in seiner Doku-fiktionalen Schilderung der späten sechziger und frühen siebzieger Jahre in Innsbruck auf die legendäre Figur Kripp zurück, „Kripp und klar“, wie die Parole aus der damaligen Zeit lautete.

Wie bei allen zeitnahen Darstellungen haben jene Leser am meisten vom Roman, die sich in der Szene auskennen und auch vereinzelte Abkürzungen entschlüsseln können. Generell ist „Kripp“ ein interessanter Versuch, aus Begebenheiten, Protokollen und fernen Sätzen so etwas wie eine politisch-pädagogische Aufbruchsstimmung jener Jahre zu dokumentieren.

Äußerer Rahmen dieses Unterfangens sind permanente Wanderungen des erzählenden Ichs auf den Achselkopf, den Hausberg des Innsbrucker Kommentators. Während der Blick die obligate Bergkette entlang schweift, tauchen zwischen den Zacken des Gebirges die Episoden der Vergangenheit auf.

Der sagenhafte Pater Kripp führt im geistig ziemlich kaputten Tirol der Nachkriegszeit die Marianische Kongregation ganz im Sinne einer religiösen Elitetruppe in die Zukunft. Dabei legt er sich mit so gut wie allen hierarchischen Fallenstellern an und endet schließlich als fernverklärter Sozial-Guru in Nicaragua.

Der Erzähler berichtet, wie er in Nicaragua einen Film über Kripp gedreht hat, wie er in der MK in Innsbruck sich selbst und über Fernfahrten und Zeltlager den Kontinent entdeckt hat.

„Die Zukunft war toll damals!“ (167) sagt Jahre später ein Zeitgenosse und ein anderer macht daraus einen Slogan für die SPÖ, „Mehr Zukunft!“, ehe er nach Argentinien auswandert.

Getragen werden die Ereignisse von einem punktgenauen Gedächtnis des Erzählers, der auch noch nach Jahrzehnten Dialoge auswendig aufsagen und Geschehnisse bis in die Pausen von Satzbögen hinein rekonstruieren kann.

Zwischendurch schlägt der Roman durchaus ins Philosophische aus, wenn er etwa die Wahrscheinlichkeit erklärt, dass ein Ereignis eintritt, und wenn siebzehnjährige Zeitgenossen sterben, und so ungewollt das Thema Tod in die blutjunge Aufbruchsstimmung hineintragen.

Am Beispiel einer Gemeinderatssitzung in Innsbruck, bei der es um Toleranz gegenüber sozialen Außenseitern geht, wird schließlich überprüft, inwiefern das Kripp‘sche Gedankengut von damals die späteren Handlungsträger der Stadt inspiriert hat. Dabei fällt der politische Kommentar durchaus „hausbacken“ aus.

Eine linke und eine rechte Backe umschließen eine dreckige Furche, die sich Mitte nennt und stinkt. Und alles zusammen ist Arsch. (89)

Otto Lichas Roman Kripp zeigt den Verlauf von Gedankenfäden, die aus einem kompakten Zeitgefüge in die Realität der Zukunft hinaus gewuchert sind und sich dort mannigfaltig verknotet haben oder aber auch ins Leere gestoßen sind. Kripp zeigt ein Stück konkrete Lebensideologie, die im Alltag abgeschliffen wird und als Mythos endet.

Kripp ist letztlich auch eine Hommage an eine lichte Zeit, wo in den finsteren Bergen so etwas wie ein heller Sinn entstanden ist. Manchmal, wenn man vom Achselkopf in die Zacken des Panoramas blickt, sind diese Zusammenhänge sichtbar. – Ein aufklärender, optimistischer Roman.

Otto Licha, Kripp. Roman.
Innsbruck: Limbus 2012. 168 Seiten. EUR 17,90. ISBN 978-3-902534-56-9.

 

Weiterführender Link:
Limbus-Verlag: Otto Licha, Kripp
Wikipedia: Otto Licha

 

Helmuth Schönauer, 28-03-2012

Bibliographie

AutorIn

Otto Licha

Buchtitel

Kripp

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2012

Verlag

Limbus-Verlag

Seitenzahl

168

Preis in EUR

17,90

ISBN

978-3-902534-56-9

Kurzbiographie AutorIn

Otto Licha, geb. 1952 in Wien, lebt in Innsbruck.