Paul Theroux, Hotel Honolulu

Hotel und Literatur sind seit Jahrhunderten Gefährten und fast schon so innig verbunden wie Mensch und Hund. Das Hotel ist wie der Mensch auf fast allen Kontinenten verbreitet und befriedigt dabei gleichermaßen globale und regionale Tendenzen, die jederzeit zu einer Geschichte führen können.

Paul Theroux, der alte Reiseliteraturfuchs, verwendet im Hotel Honolulu einen feinen Erzähltrick. Er schickt das erzählende Ich in eine Schreib-Krise und folglich in einen leeren Vorstellungs-Raum. Der Erzähler nimmt im Honolulu den Job eines Geschäftsführers an, und schon sind die Geschichten da. Das Hotel hat achtzig Zimmer und tatsächlich hat auch das literarische Hotel achtzig Kapitel.

Ein leeres Hotelzimmer ist die ideale Erzählfläche, die vorerst steril ist. Kein Haar und kein Wasserspritzer dürfen an den Vorbenützer erinnern. Das Hotel wird erst beim Auftreten des Kunden zu einem persönlichen Ambiente. Der Hotelgast muss wie ein Schauspieler auf der Bühne seine Requisiten für das Stück selbst mitbringen oder von der Rezeption kommen lassen.

Nicht alle Menschen sind freilich imstande, mit sich selbst ein Stück aufzuführen, weshalb wir immer wieder Entgleisungen, Schikanen, hysterische Ausfälle erleben. Das Personal schluckt diese Ungereimtheiten und der Geschäftsführer macht im konkreten Fall einen Roman daraus.

Geschichte ist, was anderen Leuten zustößt. (22)

Und dann tauchen alle auf, die irgendeinen Tick haben, die Gäste, die anonym bleiben wollen, weshalb man ihnen Tarnnamen gibt, Touristen aus dem unteren Preissegment, die vor allem mit Polaroids Fotos von sich selbst machen, Provinzjournalisten, die die wöchentliche Kolumne auch durch ständiges Saufen nicht vollkriegen, und vor allem sexuelle Dienstleisterinnen, die ziemlich viel zu tun kriegen.

Selbst das Personal tickt mit der Zeit schräg, was man für persönlichen Flair des Hauses hält. So haben etwa zwei Kellner einen ähnlichen Fuß- und Kopfschaden, so dass sie sich gegenseitig vertreten können, denn niemand merkt, dass hier zwei den gleichen Vogel haben.

Mit der Zeit entsteht im Hotel Honolulu ein augenzwinkerndes Festival, auf dem die großen Schicksale zu einer erträglichen Marotte heruntergebrochen sind, während aus trivialsten Ereignissen durchaus Lebensweisheit entstehen kann. „Alle Bücher werden in der Seeluft dicker!“

Das Messer, mit dem die Erlebniswurst filetiert wird, heißt Sarkasmus, der sich oft in einen Hotelwitz verkleidet.

Patient: Wie steht's? Arzt: Ein dickes Buch würde ich nicht mehr beginnen. (27)

Hotel Honolulu ist so ein dickes Buch, das in Erzählungen und Skurrilitäten die ganze Welt durchstreift. Die Geschichten sind freiwillig zu Gast, der erzählende Geschäftsführer macht seine Sache sehr gut und überwindet, wie im echten Leben üblich, die Schreibkrise durch Arbeit.

Paul Theroux, Hotel Honolulu. Roman, A. d. Amerikan. von Theda Krohm-Linke [Orig.: Hotel Honolulu, New York 2001].
Hamburg: Hoffmann & Campe 2016, 525 Seiten, 24,70 €, ISBN 978-3-455-40556-9

 

Weiterführende Links:
Hoffmann & Campe Verlag: Paul Theroux, Hotel Honolulu
Wikipedia: Paul Theroux

 

Helmuth Schönauer, 02-07-2016

Bibliographie

AutorIn

Paul Theroux

Buchtitel

Hotel Honolulu

Originaltitel

Hotel Honolulu

Erscheinungsort

Hamburg

Erscheinungsjahr

2016

Verlag

Hoffmann und Campe

Übersetzung

Theda Krohm-Linke

Seitenzahl

525

Preis in EUR

24,70

ISBN

978-3-455-40556-9

Kurzbiographie AutorIn

Paul Theroux, geb. 1941 in Medford / Massachusetts, lebt in Hawaii.