Peter Kamleiter, Der entzauberte Glaube

„Mit dem vorliegenden Werk sollen Glaubwürdigkeit und Geltungsansprüche des theistischen Welt- und Gottesbildes – paradigmatisch in seiner christlichen Variante – unter Berücksichtigung natur- und geisteswissenschaftlicher Aspekte hinterfragt werden.“ (7)

Überaus detailliert und kenntnisreich setzt sich Peter Kamleiter mit der Geschichte aufklärerischen naturwissenschaftlichen Denkens als Gegensatz zu den Welterklärungsmythen der Religionen auseinander. Dabei zeigt er am Beispiel der christlichen Religion auf, wie die Glaubensvorstellungen durch die zunehmenden Erkenntnisse in den Naturwissenschaften in die Defensive geraten und auf die Widersprüche zwischen diesen Erkenntnissen und den zentralen Glaubensinhalten reagieren.

Das I. Kapitel „Vom Mythos zum Logos oder vom Kampf progressiv-aufklärerischer und repressiv-metaphysischer Kräfte“ bietet einen historischen Abriss von der antiken Philosophie und Naturwissenschaft bis in die Philosophie des 20. Jahrhundert. Darin spiegelt sich die permanente Auseinandersetzung zwischen den mythologischen Erklärungsversuchen von Welt, Kosmos, Mensch und Seele mit Hilfe der Auslegung der biblischen Schriften und der wissenschaftlichen Betrachtungsweise, die mit den religiösen Anschauungen in Widerspruch stehen.

Die Grundlage für das wissenschaftliche und philosophische Denken wurde bereits in der Antike gelegt. Darauf konnten auch spätere Denker des Mittelalters aufbauen, obwohl das philosophische Denken dem religiösen Denken zu dienen hatte. In der Neuzeit gelang es den Wissenschaften, sich vom theologisch-religiösen Denken des Mittelalters durch Rückgriff auf die Antike allmählich zu befreien und eigenständige Wege einzuschlagen, was immer wieder zu Konflikten mit der Kirche geführt hat. Am Ende der Entwicklung sehen sich die Religionen philosophischen Positionen gegenüber, welche die traditionellen Glaubenslehren in ihren Fundamenten infrage stellen.

Kapitel II „Theistischer Transzendenzglaube versus Evolutionärer Naturalismus oder Von der der Unvereinbarkeit des theistischen Weltbildes mit dem modernen naturwissenschaftlichen Kenntnisstand“. Dieser Abschnitt geht der Frage nach, ob die religiösen Anschauungen mit den modernen Erkenntnissen der Kosmologie über die Entstehung und Entwicklung von Kosmos und Erde in Einklang zu bringen sind und ob einem Gott innerhalb der naturwissenschaftlichen Szenarien eine Rolle zukommen könne.

Auch im Bereich der Schöpfung und der Entwicklung des Lebens hat sich im Laufe der Erkenntnisse im Bereich der Naturwissenschaften eine scheinbar unüberbrückbare Kluft aufgetan zwischen der Vorstellung von der Evolution des Lebens und der Schöpfung der Welt und des Menschen durch einen Schöpfergott. Und auch wenn sich im Bereich der Wissenschaften und der Philosophie das Leib-Seele Problem noch Probleme aufwirft, sind jene der Religionen nicht geringer einzustufen.

Der III. Teil „Die Infragestellung des (christlichen) Theismus durch die Theologie selbst oder Die intellektuelle Selbstauflösung des Theismus durch eine selbstkritisch gewordene Theologie“ beschäftigt sich vor allem mit der kritischen Auseinandersetzung mit den religiösen Schriften innerhalb der Theologie. Wobei auch die widersprüchlichen Anschauungen zwischen den Religionen selbst, den Wahrheitsanspruch der einzelnen Religionen nicht unwesentlich relativieren. Vorgestellt werden u.a. Kritikpunkte am Theismus wie das Theodizee-Problem oder Ludwig Feuerbachs Religionskritik.

Anschließend werden die Versuche von Theologen wie z.B. dem Protestanten Karl Barth, dem Katholiken Karl Rahner u.a. thematisiert, religiöse Anschauungen gegenüber dem wissenschaftlichen Weltbild zu positionieren oder mit diesem zu versöhnen. In einem abschließenden Abschnitt kommt auch die Geschichte der Kirche mit all ihren Auswüchsen wie Glaubenskriege, Ketzerei, Simonie, Nepotismus und Ablass zur Sprache, die der Umsetzung der Glaubenslehre in der Praxis ein negatives Zeugnis ausstellen.

Peter Kamleiters Glaubenskritik ist ein Streifzug durch die Geschichte der christlichen Religion und der Philosophie und Naturwissenschaften, der davon ausgeht, dass dem religiösen Glauben an einen Gott, Bezüge auf eine reale Welt und reale historische Entwicklungen zugrunde liegen. Dabei gelingt es ihm anschaulich aufzuzeigen, wie mit zunehmender Erkenntnis über die Welt die religiösen Erklärungsmuster an Glaubwürdigkeit einbüßen.

Ein überaus interessantes und empfehlenswertes Sachbuch zum Thema „Religion und Religionskritik“, das die wesentlichsten Kritikpunkt am Theismus zusammenstellt und die Grundlagen von Religionen kritisch hinterfragt. Dabei gelingt es dem Autor dem schwierigen Spagat zwischen wissenschaftlichem Anspruch und allgemeiner Verständlichkeit für Laien gerecht zu werden.

Peter Kamleiter, Der entzauberte Glaube. Eine Kritik am theistischen Weltbild aus naturwissenschaftlicher, philosophischer und theologischer Sicht, aus der Reihe: Religionskritik
Marburg: Tectum Verlag 2016, 370 Seiten, 20,60 €, ISBN 978-3-8288-3654-9

Weiterführender Link:
Tectum Verlag: Peter Kamleiter, Der entzauberte Glaube

 

Andreas Markt-Huter, 12-05-2017

Bibliographie

AutorIn

Peter Kamleiter

Buchtitel

Der entzauberte Glaube. Eine Kritik am theistischen Weltbild aus naturwissenschaftlicher, philosophischer und theologischer Sicht

Erscheinungsort

Marburg

Erscheinungsjahr

2016

Verlag

Tectum Verlag

Reihe

Religionskritik

Seitenzahl

370

Preis in EUR

20,60

ISBN

978-3-8288-3654-9

Kurzbiographie AutorIn

Dr. Peter Kamleiter hat in Würzburg Philosophie, Musikwissenschaft und evangelische Theologie studiert. Seine Auseinandersetzung mit Erkenntnistheorie, Kosmologie und Hirnforschung brachte ihn zu einem agnostischen Naturalismus. Mit seinen Vorträgen und Veröffentlichungen sucht er die freiheitlichen Ideen der Aufklärung gegen einen alten und neuen Irrationalismus zu stärken.