Petra Nachbaur, Lele

Beim historischen Schundheft der 1960er Jahre haben sich immer alle Beteiligten versteckt. Jetzt beim grandiosen Revival vom „Schundheft“ wird zwar ebenfalls die übliche Publikationsordnung auf den Kopf gestellt, die Autorinnen und Graphikerinnen verstecken sich aber nur lose hinter Initialen, die Herausgeber gehen in den Untergrund des Covers und der Titel verfehlt knapp den Villacher Fasching und propagiert „Lele“, was vermutlich in der Geheimsprache „Lesen!“ heißt.

Vom Format her gesehen lässt sich das Schundheft elegant in einem betulichen Reclam-Heftchen verstecken und erinnert ein wenig an einen hochgestellten Prinzen Eisenherz. Und auch das Motto kann sich sehen lassen, völlig unvegan wird gefragt „Zuerst Henne? Zuerst Huhn?“

Im Text geht es dann ordentlich zur Sache, es wird nur das Notwendigste besprochen und dennoch ist es überraschend, wieviel notwendig ist. Eine sogenannte Puppe, halb Spielzeug für die Mutter, halb Kind, flennt der Guten Mutter so etwas wie Gutenachtgeschichten vor.

„Der Bus zur Jugendherberge rumpelte sehr. Ursel musste brechen. Uns schmeckten Erbswurstsuppe und Kuchen. Der Lehrer redet selten. Er nennt uns Elfen und Feen, Buben nennt er Jungs.“

Im antiken Briefstiel aus Zeiten der Schmutz- und Schund-Kampagne berichtet das gute Kind der Mutter, wie das Leben so spielt, wenn man es als pädagogisch unterlegtes Bilderbuch anlegt. Dabei dürfen die schweinischen Unwörter, gut getarnt, ihre heimtückische Kraft ausspielen. „Tex-Mex-Puffs“ etwa haben sich unter die üblichen Schaubuden eingereiht, die Helden sprechen einander mit Comics-Gehabe an, Du Schmusepuppe! Lederstrumpf, du! Und jemand fragt, wer steht unter wessen Knute? Unser Pudern duftet. (Und: es entgeht der Zensur!)

Manchmal sind die pädagogischen Fallgeschichten auf kurze Anweisungen eingekocht, dann wieder erinnern sie an heldenhafte Balladen. Hinter harmlosen Sätzen „musst du Blutdruck messen?“ tut sich das soziale Gefüge auf zwischen den abgeschobenen Alten und dem pflichtgemäßen Enkelbesuch.

Das Schundheft hat es am liebsten, wenn es laut und dogmatisch vorgelesen wird. Die Zeigefinger sind zwar vorne elegant weggepackt, bohren sich dafür aber unbarmherzig von hinten her in das sogenannte Erziehungsprogramm.

In einem großen Ferienlager sprechen pubertierende und verstümmelte Kids im Sound von Struwwelpeter und bringen die erwachsenen Leser in arge Verlegenheit. Im Telegrammstil funkt ein Opfer pädagogisches SOS bei einer Notgeburt.

Jule + nur kurz + Peter meldet letztens + Puppe futsch + verblutet + zuerst Presswehen, Muttermund zu, Wendung nun + blutete elende sechs Stunden + und Puppe futsch + Schnuller kullert umher + wen wundert‘s + Lutz (49)

So lustig kann Schundheft sein, wenn es von den eigenen Geschichten überrollt wird.

Petra Nachbaur, Lele. BvZ Schundheft Nummer elf, Graphik von Sylvia Dhargyal, Cover von Christine Lederer
Dornbirn: Unartproduktion Verlag 2016, 52 Seiten, 5,00 €, ISBN 978-3-902989-09-3

 

Weiterführender Link:
Unartproduktion Verlag: Petra Nachbaur, Lele. BvZ Schundheft Nummer elf
Literaturhaus Wien: Petra Nachbaur

 

Helmuth Schönauer, 12-04-2016

Bibliographie

AutorIn

Petra Nachbaur

Buchtitel

Lele

Erscheinungsort

Dornbirn

Erscheinungsjahr

2016

Verlag

Unartproduktion Verlag

Reihe

BvZ Schundheft Nummer elf

Illustration

Sylvia Dhargyal,

Seitenzahl

52

Preis in EUR

5,00

ISBN

978-3-902989-09-3

Kurzbiographie AutorIn

Petra Nachbaur lebt als Schundheftproduzentin in Vorarlberg.