Rainer Juriatti, Strandschatten

Schatten und Strand sind bei kluger Anwendung schöne Metaphern für das Bewegliche, Un-Fixe, Veränderbare. Beim Strandschatten tauchen in der Vorstellung vielleicht dunkle Flecken auf, die sich im Sonnenlicht um einen Erzählstandpunkt herum bewegen.

Rainer Juriatti nimmt den Strandschatten zum Ausgangspunkt für eine doppelte Geschichte, einmal fällt der Strandschatten auf den historischen Strand an der Normandie, an dem am D-Day die amerikanischen Truppen landen und dem Nazi-Spuk ein Ende bereiten. Auf der heroischen Ebene des Helden hingegen ist der Strandschatten eine Auffrischung und Neuinszenierung verblichener und verstorbener Gesten im innigsten Familienbereich.

Hauptfigur ist der Fotograf Moritz, der mit seiner Foto-Kunst aus dem alltäglichen Leben ausbrechen will, und dem andererseits die Fotografie dazu dient, verlorene Dinge wieder einzufangen. Im Roman fährt er an die Normandie und versucht zusammen mit dem Gesprächsfreund Paul Ordnung in die Vergangenheit zu bringen. Zu diesem Zweck fotografiert er auch nach langer Zeit wieder.

Aus den dunklen Verschattungen der Vergangenheit taucht so etwas wie eine Liebesgeschichte auf. Moritz hat nach langer Wartezeit doch mit Marisa eine Familie gegründet, nach einigen Fehlversuchen und Fehlgeburten kommt schließlich Max auf die Welt. Der stramme Max beglückt die Eltern, die sich immer routinierter um ihn kümmern.

Moritz hingegen zieht sich immer häufiger in die Lüfte zurück, er macht den Pilotenschein, um der Welt zu entkommen und in entlegenen Gegenden nach Motiven zu jagen. Dabei kommt es zum Unglück, Moritz verliert seinen Max offensichtlich bei einem Flugzeugunglück, das er selbst schwer lädiert überlebt. Und auch die Frau ist verschwunden oder tot, von ihr bleiben nur die Eltern, die einem Nazi-Zweig entstammen und ein Leben lang den D-Day als Weltuntergang empfinden.

Jetzt knipst und säuft sich Moritz durch den Strand der Normandie, entwickelt ein Narrativ zu seinen Bildern und versucht mit seinem Freund Ordnung in die diffusen Lichtverhältnisse des Erinnerns zu bringen.

Ich höre die Stille hinter den Geräuschen. (122)

Der Ort an der Küste wird zwischendurch unerträglich schön und Moritz kommen die alten Briefe in den Sinn, die er seinerzeit im Liebestaumel an seine Frau geschrieben hat. Müsste man nicht politische Liebesbriefe an die Zeit schreiben, wenn man mit der Gesellschaft ins Reine kommen wollte?

Hin- und hergerissen zwischen Melancholie, Selbstmitleid, Poesie und Ästhetik rennt ein verletzter Held im Strandschatten irgendwelchen Erhellungen entgegen, es ist ein mühseliger aber schöner Versuch, die persönliche Vergangenheit allgemein schön hinzukriegen.

Rainer Juriatti, Strandschatten. Roman
Innsbruck: Limbus 2015, 169 Seiten, 18,00, ISBN 978-3-99039-061-0

 

Weiterführende Links:
Limbus Verlag: Rainer Juriatti, Strandschatten
Wikipedia: Rainer Juriatti

 

Helmuth Schönauer, 06-12-2015

Bibliographie

AutorIn

Rainer Juriatti

Buchtitel

Strandschatten

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2015

Verlag

Limbus Verlag

Seitenzahl

169

Preis in EUR

18,00

ISBN

978-3-99039-061-0

Kurzbiographie AutorIn

Rainer Juriatti, geb. 1964 in Bludenz, lebt in Graz.