Reinhard Kocznar, Machtblind

Viele Kriminalfälle entstehen ja dadurch, dass die Wortwahl oft völlig divergierende Deutungen eines Sachverhaltes zulässt. Machtblind kann heißen, dass jemand wegen seiner Macht blind wird, oder aber, dass jemand gegenüber der Macht blind wird.

Reinhard Kocznar wählt zwar die Form des Kriminalromans, damit alles wenigstens halbwegs eine Ordnung hat, in Wirklichkeit aber beschreibt er das diffuse Treiben rund um mysteriöse Geschäfte, wo alles unsicher ist und nur Wörter wie Knarre oder Kohle Stabilität verheißen. „Er haute ab, als die Knarre sprach.“ (126)

Geld verschafft Macht, weshalb ein guter Geschäftsmann eigentlich immer ein Machtinhaber ist. Geld ist ein fiktionaler Wert, an den alle glauben müssen. Wer nicht richtig an das Geld glaubt, dem wird mit Gewalt zum richtigen Geldglauben verholfen.

Um diese Theorie herum entwickelt sich ein handfester Krimi, der mal in einen Innenhof der Provinzstadt Innsbruck führt dann wieder in die oligarchischen Gefilde ortsloser Hintermänner. Der Ich-Erzähler Paul Prokop ist Selfmade-Finanzgenie und saniert kaputte Firmen genauso, wie er grenzwertige Deals in peripheren Geschäftsfeldern abwickelt. Seine Spezialität sind sogenannte Mezzanin-Kredite, bei denen schon nach zwei drei Transaktionen nicht mehr klar ist, wer Eigentümer und wer Schuldner ist.

Prokop ist der ideale Mann für Albert Haller, der unter dem Deckmantel Handelsbeziehungen diffuse Geschäfte abwickelt. Als er sich dabei verrennt, soll Prokop den Karren aus dem Dreck ziehen. Aber da ist es schon zu spät, Albert Haller wird stranguliert im Innsbrucker Gewerbe- und Nuttengebiet Rossau aufgefunden.

Jetzt kommt der Ehrgeiz des Erzählers in Schwung, er will die Hintergründe dieses strangulierten Geschäftsmodells offenlegen, zumal er von der Polizei verdächtigt wird, selbst Hand angelegt zu haben. Die ersten Spuren führen in Richtung Russen-Deals und entsprechendes Personal taucht in Innsbruck auf und verfolgt den Erzähler quer durch das provinzielle Ambiente.

Gegen Schluss kommt es dann doch noch zu einer verzweifelten Schussabgabe, um eine Art gerechte Stimmung aufkommen zu lassen. Sinnigerweise gibt der Held in unmittelbarer Nähe zum Mitterweg einen gezielten Warnschuss ins Gesicht des Gegners ab, der aber den Kontrahenten verfehlt. Am Welttreffpunkt Mac lässt er sich dann von seiner Freundin abholen, die er nebenbei bemerkt wie seine Modelleisenbahn behandelt: liebevoll mechanisch.

Aus dem kriminalistischen Kleinkram heraus entwickelt sich die Figur des Protagonisten Prokop als Aufklärer verfilzter Geschäftsmodelle und Widerstandskämpfer gegen die offiziellen Geschäftstransaktionen. Letztlich sind die meisten Akteure machtblind, weil sie diese Sollbruchstelle zwischen Fiktion und Realität übersehen. Entweder jemand lässt sich auf das Geld ein, dann verliert er die Welt, oder er steht in der Welt, dann hat er kein Geld. Überleben kann in dieser Konstellation nur das Schlitzohr, das sich einen eigenen Reim auf die Welt macht.

Reinhard Kocznar, Machtblind. Kriminalroman
Meßkirch: Gmeiner 2016, 309 Seiten, 12,40 €, ISBN 978-3-8392-1837-2

 

Weiterführende Links:
Gmeiner Verlag: Reinhard Kocznar, Machtblind
Wikipedia: Reinhard Kocznar

 

Helmuth Schönauer, 14-02-2016

Bibliographie

AutorIn

Reinhard Kocznar

Buchtitel

Machtblind

Erscheinungsort

Meßkirch

Erscheinungsjahr

2016

Verlag

Gmeiner Verlag

Seitenzahl

309

Preis in EUR

12,40

ISBN

978-3-8392-1837-2

Kurzbiographie AutorIn

Reinhard Kocznar, geb. 1951 in Hall, lebt in Innsbruck.