Richard Wall, Achill

Ein heroischer Titel, Bilder von der unterirdischen Gewalt einer Kontinental-Drift, Gedichte ausgerichtet wie ein Flügelaltar, ein Nobelpreisträger auf den kargen Boden irdischer Lebenserfahrung zurückgeholt - so fühlt sich ein Gesamtkunstwerk aus den Händen von Richard Wall und Martin Anibas an.

Richard Wall ist der Meister des Randes, der Peripherie, des Endes einer urbanen Welt. So beobachtet und beschützt er seit Jahrzehnten die Westküste Irlands, bringt dabei die Urelemente einer wütenden Küste als Bilder und Gedichte zurück und beobachtet das Vordringen der sogenannten Zivilisation bis in die letzte Ritze der Küste hinein.

Der dramatische Achill ist dabei keine griechische Sagenfigur sondern eine mindestens so sagenhafte Insel, die einheimisch nach dem Adler Achill benannt ist. Bekannt geworden ist dieses Achill durch die Sommerfrische von Heinrich Böll, der sich klug inszeniert auf der Insel niedergelassen hat, nachdem er mit dem irischen Tagebuch ein kleines Vermögen verdient hat. Heute wird dieses Böll-Cottage als Künstler-Residenz genutzt und das irische Tagebuch taugt nicht einmal mehr als romantische Vorlage.

Richard Wall stellt in seinem „Achill“ Gedichte - Poesie - Gedichte vor, die während seins Aufenthaltes 2014 entstanden sind.

Dabei stößt die Stuben-hockerische Mentalität eines Dichters auf die Naturgewalten, „Meine Welt aus Sitze und Sätzen umgeben / Von Sturm und Regen, von einer Hecke aus Liguster“ (13). Es gilt, die Leere eines Tisches zu zelebrieren, zu achten und dennoch zu gebrauchen für Tätigkeiten, die letztlich unbedeutend sind. Die Zeit wird in leeren Teebeuteln gemessen, oft sitzt das lyrische Ich die Nacht hindurch am Fenster, weil so viel los ist. Nach so einer Nacht ist der Himmel leergewaschen, das erste Wort will gar nicht auf das Papier, Schafe zotteln in nasser Wolle in den Tag hinein.

Der englisch gehaltene Mittelteil spitzt die Verse auf einzelne Wörter zu, die wie sinnloses Geschrei gegen den Wind oder die Strömung geworfen sind.

In Vain // A dark morning / For a dark soul // Cold milk / On hot porridge // Cool words / Won’t come. (45)

Im „hinteren Teil“ des Tryptichons versetzt sich das lyrische Ich bereits in den Corpus eines Malers, Farbgestalters, Formenbeobachters. Auf die Szene wird nicht fotographisch als Poesie repliziert, sondern das Gesehene wird in die Poesie eines Bildes umgestaltet. Im Blick auf die Wolken, Gesteine und Gräser liegt die Erfahrung eines an der Kunst gebildeten Notars, der die aktuellen Bilder in die Bildgeschichte einzuordnen weiß.

In der Kurzbeschreibung des Achill-Aufenthaltes stellt Richard Wall dann auch seine Arbeitsweise vor.

Ich muss, gleich wo ich bin, viel ‚draußen‘ sein, Gewohnheiten und Bequemlichkeiten durchbrechen, um meine Wahrnehmungsfähigkeit immer wieder aufs Neue zu überprüfen. (96)

Achill ist ein tosendes Dokument vom Rand Europas, demütig gegenüber den Einheimischen aufgezeichnet, und voller Leidenschaft, die Grenzen des künstlerisch Machbaren auszuloten.

Richard Wall, Achill. Verse vom Rand Europas, Gedichte in Deutsch und Englisch. 33 Bilder in Mischtechnik von Martin Anibas
St. Pölten: Literaturedition Niederösterreich 2016, 112 Seiten, 20,00 €, ISBN 978-3-902717-34-4

 

Weiterführende Links:
Literaturedition Niederösterreich: Richard Wall, Achill
Wikipedia: Richard Wall
Homepage: Martin Anibas

 

Helmuth Schönauer, 18-05-2016

Bibliographie

AutorIn

Richard Wall

Buchtitel

Achill. Verse vom Rand Europas

Erscheinungsort

St. Pölten

Erscheinungsjahr

2016

Verlag

Literaturedition Niederösterreich

Illustration

Martin Anibas

Seitenzahl

112

Preis in EUR

20,00

ISBN

978-3-902717-34-4

Kurzbiographie AutorIn

Richard Wall, geb. 1953 in Engerwitzdorf, lebt in Engerwitzdorf und Streith.<br />Martin Anibas, geb. 1966 in Waidhofen/Thaya, leitet die Galerie Blaugelbezwettl.

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