Robert Kleindienst, Nicht im Traum

Bibliothekare sind bekannt dafür, dass sie in verschiedenen Realitäten gleichzeitig leben können. Gleichzeitig gilt ihr Leben oft als so unaufgeregt, dass sich kaum daraus eine Story machen lässt.

Robert Kleindienst fasst gerade aus der Spannung zwischen aufregender Fiktion und trivialer Realität seinen Helden aus und schickt den Bibliothekar Simon Selander durch einen Dschungel von Alpträumen, Realitätsbrüchen und Fleisch gewordenen Buchinhalten.

Der Held jagt zu Beginn durch die Buchstabenwelt eines Buches, die Szenerien werden plastisch und zu einer eigenen Welt, als das Buch verlorengeht oder gestohlen wird, bleibt der Protagonist darin weltfremd zurück. Die Tagesabläufe sind folglich auch bestimmt von nächtlichen Ausritten der psychodelischen Art, Simon Selander nachtwandelt offenbar und beamt sich auch sonst in ungemütliche Situationen wie etwa in eine nächtliche Zelle bei der Polizei.

Der triviale Teil des Helden besteht aus einem Bibliothekars-Dasein, das er schon zwölf Jahre lang durchmacht. Als anlässlich einer Kündigungswelle ein Freund aussortiert werden soll, muckst Simon Selander noch einmal kurz auf und gebärdet sich als Robin Hood der Bibliotheken. (48) In der Presse wird er daraufhin verhöhnt, in der Bibliothek zusammengeschissen und ins fensterlose Bereitstellungsmagazin gesteckt.

Schon auf dem Nachhauseweg freilich fließen die Welten wild ineinander über, die Mutter hält sich im Altersheim am liebsten im Aufbahrungsraum auf, weil sie dort rauchen kann, ein Pantomime wird plötzlich zudringlich, eine Friedhofs-Inschrift greift mit den Händen nach ihm: „Da wir noch Zeit haben, die Kunst zu erlernen, gut zu sterben...“ (25)

Manchmal drängen Erinnerung und Entfernung gleichzeitig in den Kopf, die Frau des Bibliothekars ist erbärmlich an Krebs gestorben, „versprich mir, dass ich sterben kann, wenn es soweit ist.“ (184) Die Schwester lebt in einer Expeditionskommune im Packeis und schickt letztlich die erlösende Einladung aus, er soll einfach nach Spitzbergen kommen. Im gleißend weißen Nordeis endet der Held schließlich als schwarzer Punkt.

Robert Kleindienst spielt hintersinnig mit dem Dilemma der Fiktion, nämlich ab wann wird sie zu einer überbordenden Realität. „Nicht im Traum“ deutet auf diese hohe Wahrscheinlichkeit der Geschichte hin, gleichzeitig lässt dieser Titel auch durchklingen, dass es sich beim Bibliothekar um keinen Traumberuf handelt. - Eine verrückter Sprung durch verschiedene Formen der Wirklichkeit, bei dem das Buch zu einem Fallschirm wird, der sich vielleicht nicht öffnet.

Robert Kleindienst, Nicht im Traum. Roman.
Innsbruck: Edition Laurin 2013. 220 Seiten. EUR 18,90. ISBN 978-3-902866-08-0.

 

Weiterführende Links:
Edition Laurin: Robert Kleindienst, Nicht im Traum
Wikipedia: Robert Kleindienst

 

Helmuth Schönauer, 15-02-2013

Bibliographie

AutorIn

Robert Kleindienst

Buchtitel

Nicht im Traum

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2013

Verlag

Edition Laurin

Seitenzahl

220

Preis in EUR

18,90

ISBN

978-3-902866-08-0

Kurzbiographie AutorIn

Robert Kleindienst, geb. 1975 in Salzburg, lebt in Salzburg. 2007 Stadtschreiber in Kitzbühel.