Thomas Kaufmann, Erlöste und Verdammte

„Wittenberg, «am Rande der Zivilisation». Von diesem traditionslosen deutschen Universitätsstädtchen ausgehend wurde die Reformation binnen kürzester Zeit zu einem europäischen Ereignis. Dies war nicht zuletzt durch die politischen Strukturen und Konstellationen in Europa bedingt …“ (9)

Anlässlich des 500 Jahr-Jubiläums der Reformation erscheinen zahlreiche Bücher zur Reformationsgeschichte sowie Biographien Martin Luthers. Thomas Kaufmanns Geschichte der Reformation setzt die reformatorische Bewegung und das Handeln Luthers und der anderen Reformatoren bewusst in einen größeren europäischen und kulturgeschichtlichen Kontext. Ohne diesen Zusammen lassen sich die Wirkung und die Geschwindigkeit, mit der die Thesen und Forderungen Luthers in Deutschland und Europa Verbreitung finden konnten, nicht erklären.

Das einleitende 1. Kapitel „Luther und die Reformation“ versucht zunächst die über die Jahrhunderte entstandene Legenden- und Begriffsbildung im Hinblick auf die Erfolgsgeschichte der „Reformation“ aber auch die Bedeutung der Person und des Wirkens Martin Luthers im Laufe der nachfolgenden Zeiten aufzuzeigen, an deren Beginn eine spezifische historische Ausgangslage und viele Reformationen gestanden haben.

Im 2. Kapitel „Die europäische Christenheit um 1500“ skizziert die europäische Welt zu Beginn der Neuzeit, die sich in Folge der äußeren Bedrohung durch das Osmanische Reich zunehmend als christliche Einheit zu verstehen beginnt. In dieser übernationalen Welt mit Latein als universale europäische Sprache der Wissenschaft und Gelehrten konnten sich die Gedanken der Reformation schnell über den gesamten Kontinent ausbreiten.

Gleichzeit war die Zeit um 1500 eine Zeit bisher ungeahnter Veränderungen in der neue geographische und ökonomische Räume entstanden sind und auch das ständische Feudalsystem in Frage gestellt wird. Ebenso zählen die politischen Entwicklungen und Veränderungen in Europa und im Heiligen Römischen Reich, ganz besonders aber die „Revolution des Buchdrucks“ aber auch die Mobilität der Humanisten“ zu den wesentlichen Voraussetzungen für den Erfolg der Reformation.

Kapitel 3 „Die frühe Reformation im Reich bis 1530“ begibt sich nun unmittelbar in die Ereignisgeschichte rund um Martin Luther. Beginnend mit einer kurzen Darstellung der wichtigsten Veränderungen zwischen 1517 – 1530, wird anschließend der Reformator Martin Luther selbst porträtiert und sein theologisches Denken vorgestellt, das schließlich in seinen „95 Thesen gegen den Ablass“ und „Luthers Bruch mit dem Papst“ mündet.

Zu den weiteren Abschnitten der Reformationsgeschichte gehört der große Auftritt Luthers auf dem Wormser Reichstag ebenso, wie die Züricher Stadtreformation unter Zwingli, die ersten innerreformatorischen Zerwürfnisse rund um Sickingen, Thomas Münzer und Karlstadt sowie Luthers Streit mit Erasmus von Rotterdam. Nicht weniger wichtig für den weiteren Verlauf waren die „territorial- und kirchenpolitischen Entscheidungen“ (179) im Reich, die zur „Errichtung evangelischer Kirchentümer“ (181) führten.

Das 4. Kapitel „Das reformatorische Europa bis 1600“ öffnet seinen Blick wieder auf die Ereignisse und Entwicklungen der frühreformatorischen Bewegungen in ganz Europa, die mit dem Auftreten Johannes Calvins eine Internationalisierung des reformierten Protestantismus einleiten. Neben den Auseinandersetzungen und Friedensbemühungen im Heiligen Römischen Reich werden auch die Reformen der katholischen Kirche auf dem Konzil von Trient sowie die zahlreichen kleinen religiösen Bewegungen, wie die Täufer, Antitrinitaner u.a. erläutert.

Kapitel V „Die Reformation und die neue Zeit“ und Kapitel VI „Die Wahrnehmung der Reformation in der Neuzeit“ setzen sich mit den Auswirkungen der Reformation und dem Blick auf die Reformation in der nachfolgenden Zeit bis in die Gegenwart auseinander.

Thomas Kaufmanns Monographie zeichnet sich durch seinen breiten Blick auf das Thema Reformation aus, der neben den historischen Voraussetzungen, wie die politische Geschichte, Ideengeschichte und Religionsgeschichte im Vorfeld der Reformation, auch die Entwicklung und Ausbreitung der Reformation in gesamten europäischen Bereich aufzeigt und in ihren Zusammenhängen beleuchtet. Dabei kommen aber auch die Anfänge der Reformation rund um Martin Luther gebührend zur Sprache.

„Erlöste und Verdammte – Eine Geschichte der Reformation“ zeichnet sich durch seine klare Struktur, in der regionale wie überregionale Ereignisse und Entwicklungen gleichermaßen Platz finden, ebenso aus wie durch seine Einbettung des Themas in einen großen europäischen Rahmen. Ein überaus empfehlenswertes Geschichtswerk, das allen Leserinnen und Lesern einen verständlichen und detaillierten Einblick in die Geschichte der Reformationen bietet.

Thomas Kaufmann, Erlöste und Verdammte. Eine Geschichte der Reformation, mit 103 Abb. und 4 Karten
München: C. H. Beck Verlag 2017, 508 Seiten, 27,80 €, ISBN 978-3-406-69607-7

 

Weiterführende Links:
C. H. Beck Verlag: Thomas Kaufmann, Erlöste und Verdammte
Wikipedia: Thomas Kaufmann

 

Andreas Markt-Huter, 15-02-2017

Bibliographie

AutorIn

Thomas Kaufmann

Buchtitel

Erlöste und Verdammte. Eine Geschichte der Reformation

Erscheinungsort

München

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

C. H. Beck Verlag

Seitenzahl

508

Preis in EUR

27,80

ISBN

978-3-406-69607-7

Kurzbiographie AutorIn

Thomas Kaufmann ist Professor für Kirchengeschichte an der Universität Göttingen, Vorsitzender des Vereins für Reformationsgeschichte und Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen.