Ursula Flacke, Das Mädchen aus dem Vinschgau

Hinter jedem gelungenen Buch steckt eine vollkommene Bibliothek. Manchmal bedanken sich Autorinnen und Autoren bei diesen Bibliotheken, andere setzen auf den Genie-Begriff und behaupten, sich alles selbst aus den Hirnwindungen gesogen zu haben.

Ursula Flacke setzt an das Ende des historischen Romans vom „Mädchen aus dem Vinschgau“ zwei Anmerkungen, einmal bedankt sie sich bei der Schlanderer Bibliothek, die ihr diesen regionalen Stoff erst zugänglich gemacht hat, andererseits betont sie das Fiktionale des Romans, worin Kernfiguren, Kernzeiten und  Kernhandlungen aus einer Unmenge von Möglichkeiten herausdestilliert sind. So spielt das „Mädchen aus dem Vinschgau“ komprimiert um das Jahr 1519.

Die großen historischen Wetterlagen spielen auch in die entlegenen Täler hinein, der Vinschgau bekommt die Epoche nach Maximilian zu spüren, die Fuggerei treibt den Handel bis in die letzten Höfe hinein, Geldwäsche und Geldverleih sind die Flüche der Zeit, worin sich wie immer die Reichen und die Habenichtse scharf unterscheiden.

In dieser Geschäftswelt voller Aufbruchsstimmung versucht Luzia Gesicht zu bewahren und ihre Identität zu retten. Allgemein gelten Mädchen als Geschäftsware, die an einen reichen Mann gebracht werden muss, damit sich die Verhältnisse bessern. So wird auch Luzia mit einem unguten Steinbruch-Manager verlobt, obwohl sie in einen verarmten Bergbauern verliebt ist.

Luzia hat eine Zwillingsschwester Sophia, die bei der Geburt zu Schaden gekommen ist und jetzt als Pflegefall und Sonderling durch das Leben begleitet werden muss. Als sie einmal abhaut, taucht sie prompt in einem sexuell aktiven Gasthof unter, wie damals die Bordelle genannt werden.

Geschäfte haben es so an sich, dass sie zuerst mündlich verfasst werden, nach dem Handschlag freilich mit der Waffe durchgesetzt werden. Damit Luzia kapiert, dass Verlobungen ernst sind, lässt man ihren Geliebten verschwinden.
Jetzt entwickelt sich ein formidabler Kriminalfall, der in Ermangelung von Kommissaren von Luzia selbst aufgeklärt werden muss.

Ursula Flacke führt alle gängigen Themen der damaligen Zeit in die Handlung ein, Marmor, Handel, Paracelsus als Wunderwuzzi, Wanderprediger als Gurus, eine herabgekommene Kirche, die am Ende ist, das Aufkommen einer ersten Globalisierung. Der Vinschgau spielt darin etwas zeitverzögert mit, Weltoffenheit und archaische Rituale stoßen täglich aufeinander.

Der Roman zeigt, dass die Hauptthemen einer Region über Jahrhunderte gleich bleiben. Da es an so modernen Ablenkungen wie Handy oder Internet mangelt, müssen die wenigen Sätze der Kommunikation gut überlegt werden, es gibt nämlich keine Community, mit der man Freundschaft schließen könnte. Und die Frauen haben in dieser rauen Männerwelz alle Hände voll zu tun, Reste der eigenen Identität über das Leben hindurch in den Friedhof zu retten. - Raues Leben im rauen Vinschgerwind!

Ursula Flacke, Das Mädchen aus dem Vinschgau. Historischer Roman
Köln: Bastei Lübbe 2015 ( TB 17215), 296 Seiten, 10,30 €, ISBN 978-3-404-17215-3

 

Weiterführende Links:
Bastei Lübbe: Ursula Flacke, Das Mädchen aus dem Vinschgau
Wikipedia: Uschi Flacke

 

Helmuth Schönauer, 25-01-2016

Bibliographie

AutorIn

Ursula Flacke

Buchtitel

Das Mädchen aus dem Vinschgau. Historischer Roman

Erscheinungsort

Köln

Erscheinungsjahr

2015

Verlag

Bastei Lübbe Verlag

Reihe

TB 17215

Seitenzahl

296

Preis in EUR

10,30

ISBN

978-3-404-17215-3

Kurzbiographie AutorIn

Ursula Flacke, geb. 1949 in Lippstadt, lebt in Altweilnau.