Bettina Obrecht, Opferland

„Nein! Ich werde diese Rolle nicht spielen, niemals! Warum denn ich? Ausgerechnet ich? Hört bloß auf, das kann doch kein Zufall sein. Ihr macht mir nichts vor. Geht das denn immer weiter?“ (5)

Der 15-jährige Cedric rastet aus, als seine Theatergruppe an der Schule ein Stück über Mobbing aufführten möchte und ausgerechnet er das Mobbingopfer spielen soll. Er fühlt sich von seiner Vergangenheit eingeholt, in der er vor seinem Schulwechsel jahrelang durch Mobbing gequält worden war. Als ihn auch noch Lars, der beliebteste Schüler der Theatergruppe, anpöbelt: „Na, Opfer? Wie fühlt man sich als Loser?“ (14) rastet Cedric aus und schlägt ihn nieder.

Schon zu Beginn der Grundschule wurde Cedric in die Rolle eines Opfers gedrängt, als er weinend in seine neue Klasse gekommen und daraufhin sofort als „Mädchen“ verlacht worden war. Niemanden hat interessiert, wie unglücklich er nach dem Wohnungswechsel in ein fremdes Dorf war. Selbst von seinen Lehrern ist er zunehmend als Problemschüler behandelt worden, obwohl seine schulischen Leistungen durchaus sehr gut waren.

Mit der Zeit haben sich Kinder der ganzen Schule am Mobbing beteiligt, wobei auch mehrmalige Schulwechsel nichts geholfen haben. Cedrics Leider nahm dermaßen zu, dass er schließlich die Flucht nach vorne ergriffen und die Stadt gewechselt hat. Das Leben ohne seine Eltern fällt ihm Anfangs schwer, wobei er unter der ständigen Angst lebt, auch an der neuen Schule gemobbt zu werden.

Sinja, seine Freundin an der neuen Schule, weiß nichts von seiner Vergangenheit und ist über Cedrics Gewaltausbruch gegen Lars entsetzt. Dieser beginnt, mit Hilfe eines heimlich geknipsten Fotos über Facebook, Nachforschungen über Cedric anzustellen, der panische Angst davor hat, dass die Wahrheit über seine Vergangenheit ans Licht kommen könnte und ihn wieder zum Opfer werden lässt. Aber auch Lars hat seine dunklen Geheimnisse, die er vor seinen Mitschülern verbirgt.

Bettina Obrecht gelingt es auf beeindruckende Weise, die jungen Leserinnen und Leser in einem berührenden und spannenden Roman mit dem Thema Mobbing zu konfrontieren. Das Opfer erzählt seine Geschichte aus der Perspektive des Ich-Erzählers, wobei ständige Rückblicke auf vergangene Ereignisse, sein langes Leiden nach und nach ans Tageslicht bringt. Dabei wird minutiös gezeigt, wie sich die Spirale der psychischen Gewalt unaufhörlich immer stärker zu drehen beginnt und keinen Ausweg mehr offen lässt.

Bettina Obrecht zeigt auf, was es heißt, ein Mobbingopfer zu sein. Das Buch wühlt auf und erschüttert, erzeugt aber auch Mitgefühl mit all jenen, die tagtäglich an unseren Schulen mehr oder weniger in die Opferrolle gedrängt werden und hilft vielleicht mit, die Kette bewusster oder unbewusster Demütigungen zu durchbrechen. Ein überaus empfehlenswertes Jugendbuch, das zum Denken anregt und sich ganz ausgezeichnet für den Einsatz im Unterricht eignet.

Bettina Obrecht, Opferland. Ab 12 Jahren
München: Cbj Verlag 2014, 288 Seiten, 8,30 €, ISBN 978-3-570-40248-1

 

Weiterführende Links:
Cbj Verlag: Bettina Obrecht, Opferland
Wikipedia: Bettina Obrecht

 

Andreas Markt-Huter, 24-11-2016

Bibliographie

AutorIn

Bettina Obrecht

Buchtitel

Opferland

Erscheinungsort

München

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

cbj Verlag

Seitenzahl

288

Preis in EUR

8,30

ISBN

978-3-570-40248-1

Lesealter

Zielgruppe

Kurzbiographie AutorIn

Bettina Obrecht wurde in Lörrach in Baden-Württemberg geboren und studierte Englisch und Spanisch. Sie arbeitet als Autorin, Übersetzerin und Rundfunkredakteurin und wurde für ihre Kurzprosa und Lyrik mehrfach ausgezeichnet. Seit 1994 schreibt sie Kinder- und Jugendbücher.