Hubert Flattinger, Sommersprossen auf dem Asphalt

Das wirklich heftige Leben ist ein Song, der aus Dutzenden von Balladen zusammengesetzt ist. Er lässt sich authentisch nur auf einer Gitarre mit fehlenden Saiten abspielen.

Hubert Flattinger setzt in seinem Jugendroman „Sommersprossen auf dem Asphalt“ einer prekären und peripheren Restfamilie einen Überlebenssong ins Ohr, der sie über die Runden bringt, wenn auch mit ziemlich viel Blues. Im Mittelpunkt steht Robin, der sich erst für das Leben sortieren muss. Momentan versucht er, Songs zu schreiben und mit einer Gitarre zurechtzukommen, welcher die entscheidende Saite fehlt.

Am Leben erhalten wird der Jungkünstler von seiner größeren Schwester Ronda, die die Geschäfte an der Tankstelle schupft, und vom Großvater Grova, der ziemlich trinkt und die eigene Tankstelle allzu wörtlich konsumiert. Die Eltern sind bei einem Verkehrsunfall gestorben, und jetzt ist Überleben angesagt auf der Tankstelle, die wie aus einem Film herausgemeißelt ist. Während im Zentrum ein imaginäres Avanti steht, wird es im anliegenden Wohnbau gleich bedrückend und ungemütlich.

Gerade bei Regen verliert die Idylle im Brachland jede Kraft zu einem Scherz.
Ambiente, Stimmungen und Wetterlagen lassen sich am besten mit einem Song aushalten, und Robin stellt mit Vergnügen fest, dass es unendlich viele Songs über den Regen gibt. (28)

Über die Tankstelle gibt es auch lose Freundschaften, mit Leo lassen sich gute Witze erzählen, der Lieblingswitz besteht darin, dass ein Hippie Ich und Du vertauscht und dadurch indirekt das Hippie-System ad absurdum führt.

Interessant wird es, als plötzlich eine Nachbarschaftstankstelle überfallen wird. Einerseits ist Robin froh, dass es nicht die eigene Avanti erwischt hat, andererseits wäre dann wenigstens etwas los, zumal der Täter beinahe wie Leo ausschaut. Aber das hängt damit zusammen, dass man Fahndungsbilder immer auf den nächsten Bekanntenkreis überträgt.

Leo entpuppt sich als Schriftsteller, der am Abend in einer Location lesen wird. Das große Vorbild ist natürlich Hemingway, der perfekt zum Leben passt, bis auf den Suizid natürlich. Aber als es ans Vorlesen geht, scheißt sich der Dichter im übertragenen Sinn an und erklärt alles, was er geschrieben hat, für einen Mist. Diese Lesung geht als die entlegenste, kürzeste und ehrlichste in die Literaturgeschichte ein.

Und dann wird doch noch die eigene Tankstelle überfallen. Der genaue Hergang darf aus Ermittlungsgründen hier nicht verraten werden.

Hubert Flattinger erzählt ein witziges Steh-Movie, wobei die Ereignisse einen Drive-In nehmen und die Helden bloß warten müssen, ob sich etwas davon zu einem Song umschreiben lässt. – Grandios verschmitzt wie Sommersprossen auf dem Asphalt.

Hubert Flattinger, Sommersprossen auf dem Asphalt. Ab 12 Jahren
Egg bei Zürich: Aravaipa Verlag 2016, 200 Seiten, 15,40 €, ISBN 978-3-03864-006-6

 

Weiterführende Links:
Aravaipa Verlag: Hubert Flattinger, Sommersprossen auf dem Asphalt
Wikipedia: Hubert Flattinger

 

Helmuth Schönauer, 21-09-2017

Bibliographie

AutorIn

Hubert Flattinger

Buchtitel

Sommersprossen auf dem Asphalt

Erscheinungsort

Egg bei Zürich

Erscheinungsjahr

2016

Verlag

Aravaipa Verlag

Seitenzahl

200

Preis in EUR

15,40

ISBN

978-3-03864-006-6

Zielgruppe

Kurzbiographie AutorIn

Hubert Flattinger, geb. 1960 in Innsbruck, lebt in der Nähe von Wien.