Manfred Mai, Das verkaufte Glück

„Eure Mutter und ich haben lange hin und her überlegt, was wir tun können. Wir sehen keine andere Möglichkeit, als euch diese Jahr ins Schwabenland zu schicken.“ Er machte eine Pause. Die Worte des Vaters kamen so überraschend, dass es Jakob und Killian schwerfiel, sie zu begreifen. (17)

Eben noch waren Jakob und sein jüngerer Bruder Killian vergnügt und ausgelassen. mit der Rodel den Hang am Waldrand hinunter gerodelt und hatten sich mit Leonhard ein erbittertes Wettrennen geliefert und plötzlich heißt es, dass die Familie die Kinder nicht mehr ernähren kann.

Jakob und Killian leben in dem kleinen Tiroler Bergdorf Galtür, sie haben drei Geschwister und ihre Mutter erwartet bereits das nächste Kind. Das Essen reicht hinten und vorne nicht aus und so sehen sich die Eltern gezwungen, wie schone tausende Kinder zuvor, auch ihre Kinder ins Schwabenland zur Arbeit bei reichen Bauern zu schicken.

Bereits der Hinweg, den die Kinder in Begleitung des Meßmers und Totengräbers zu Fuß auf sich nehmen müssen, erweist sich bei winterlicher Kälte und Schnee als unglaublich strapaziös und entbehrungsreich, sind die Kinder doch weder von der Kleidung her noch von der knappen Verpflegung für einen so weiten Marsch gerüstet. Glücklicherweise treffen sie immer wieder auf hilfsbereite Menschen, manche von ihnen haben das Los der Schwabenkinder sogar selbst erlebt und sich geschworen, niemals ein hungerndes Kind abzuweisen.

An der Grenze gibt es Schwierigkeiten mit dem Zöllner, der bei manchen Kinder anzweifelt, dass sie bereits zehn Jahre alt sind, am Ende aber dennoch nachgibt. In Ravensburg angekommen, müssen sich die Kinder auf dem Kindermarkt präsentieren, um schließlich von den Bauern der Gegend ausgesucht zu werden.

Während der Bauer überlegt, blättert der Mesmer in seinem Notizbüchlein. Darin stand, wie viel er für die Kinder in den vergangenen Jahren ausgehandelt hatte. „Was soll er denn dieses Jahr kosten?“, fragte der Bauer, bei dem Xaver das letzte Mal gewesen war. „Fünfzehn Gulden und doppeltes Häs“, antwortete Josef Gruber.

Jakob und Killian müssen sich aller Hoffnungen zum Trotz trennen und kommen an verschiedene Bauernhöfe, die knapp eine Stunde voneinander entfernt liegen. Jeden Sonntag besucht nun Jakob seinen kleinen Bruder Killian und versucht sich so gut es geht um ihn zu kümmern, wie er es seiner Mutter versprochen hat.

Die Zeit im Schwabenland kennzeichnet sich durch harte Arbeit, Heimweh und Schikanen durch einen Knecht, der sogar Geld vom Bauern stiehlt und es Jakob in die Schuhe schiebt. Jakob erlebt aber auch Zuwendung durch einen anderen Knecht, mit dem er sich über so manches Unterhalten kann. Besonders fällt ihm der große Reichtum der Menschen an Essen und Dingen im Vergleich mit zu Hause auf. Aber Essen und Besitz sind nicht alles.

„Ich will mit Killian heim und nie mehr ins Schwabenland müssen.“ „Obwohl es dir hier recht gut geht?“, hakte Alfons nach. „Ja!“ „Ich verstehe dich“, sagte Alfons. „Daheim zu sein ist etwas Schönes. Ich wäre auch gern irgendwo daheim. Und ich beneide dich darum, dass du bald wieder nach Hause gehen kannst.“ (180)

Manfred Mai gelingt es mit viel Hintergrundwissen und Einfühlungsvermögen ein Stück Tiroler Sozialgeschichte in einen spannenden und bewegenden Roman für Kinder und Jugendliche zu verpacken. Dabei wird das durch Armut geprägte harte Schicksal von Kindern, über den konkreten geschichtlichen Kern hinaus, allgemein auf die Bühne gestellt. Denn auch heute noch gibt es unglaubliche Armut und leiden vor allem Kinder unter schwierigsten Lebensbedingungen, die wir bei uns überwunden haben.

Ein überaus empfehlenswertes, informatives und gleichzeitig berührendes Buch, in dem ein tragischer Teil der Tiroler Vergangenheit literarisch aufbereitet wird und junge Leserinnen zu Diskussionen über die Bedeutung von Armut in Vergangenheit und Gegenwart anzuregen vermag.

Manfred Mai, Das verkaufte Glück. Der lange Weg der Schwabenkinder. Ill. v. Henriette Sauvant, ab 10 Jahren
Ravensburg: Ravensburger Verlag 2013, 224 Seiten, 15,50 €, ISBN 978-3-473-36869-3

 

Weiterführende Links:
Ravensburger Verlag: Manfred Mai, Das verkaufte Glück
Wikipedia: Manfred Mai
Homepage: Henriette Sauvant

 

Andreas Markt-Huter, 18-04-2014

Bibliographie

AutorIn

Manfred Mai

Buchtitel

Das verkaufte Glück. Der lange Weg der Schwabenkinder

Erscheinungsort

Ravensburg

Erscheinungsjahr

2013

Verlag

Ravensburger Verlag

Illustration

Henriette Sauvant

Seitenzahl

224

Preis in EUR

15,50

ISBN

978-3-473-36869-3

Lesealter

Zielgruppe

Kurzbiographie AutorIn

Manfred Mai, in Winterlingen geboren, wuchs auf einem Bauernhof auf. Seit einigen Jahren ist er freier Schriftsteller und hat zahlreiche Bücher veröffentlicht. Er zählt heute zu den bekanntesten Kinder- und Jugendbuchautoren Deutschlands und lebt mit seiner Familie in Schwaben.<br />Henriette Sauvant wuchs in Deutschland und Dänemark auf. Sie studierte Illustration an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg. Seit 1992 arbeitet sie als freiberufliche Illustratorin für Kinder- und Erwachsenenbücher und Werbeagenturen.Henriette Sauvant