Jürg Schubiger, Die kleine Liebe

Buch-CoverDie Schweizer Literatur gilt oft als der Inbegriff von Genauigkeit im Umgang mit Kleinodien. Während es in der Cinemascope-Literatur oft um die große Liebe geht, handelt die Schweizer Poesie oft von der "kleinen Liebe".

Heldin der kleinen Liebe ist L., bei der es nicht einmal zu einem vollen Namen reicht. Eigentlich heißt sie Laetitia, wird aber auf einer Hochzeitstafel durchaus einmal auch als "Elle" ausgenamst.

L. hat schon als Kind diesen Blick fürs Detail, fühlt sich in gesellschaftlichen Ritzen und Randleisten am wohlsten und beschreibt die sie umgebenden Menschen für sich selbst in einer skurrilen feinen Sprache. Eine Zeitlang träumt sie von dauerhaften Jungfräulichkeit (31), aber diese Unschuld bezieht sich vor allem auf den lauteren Blick, mit dem sie die Welt an sich vorbei ziehen lässt.

Die Liebe zur Natur macht schließlich eine Lehrerin aus ihr, sie unterrichtet am liebsten die kleinen Wunder der direkten Umgebung und kümmert sich um jene Unauffälligkeiten, die hinter jedem Alltag stecken.

Die Natur wird mit jedem Tag schöner, zumal, wenn man in die Berge geht. So ein Tag kann auch dann noch schön sein, wenn man dabei vom Ausläufer einer Lawine verletzt wird und ins Spital muss.

Natürlich schaut dann doch die Liebe vorbei, es gilt, den Körper mit Sorgfalt zu entdecken.

Nun hatte sie sich wieder zurecht gefunden, zitternd wie eine Kompassnadel. (57)

Die Jahre und Begebenheiten hatten damals noch den Schwung einer beginnenden Biographie. Etwas Zusammenhängendes hätte daraus werden können. Bei den späteren Lebensstücken dagegen zweifelte man, ob sie jemals eine Sache mit Hand und Fuß ergeben würden. (65)

Der Geliebte rasiert sich stundenlang und karikiert damit die Sehnsucht seiner Geliebten nach Kleinodien im Gesicht. Man beschließt, nie heiraten zu wollen. Allmählich zieht man wieder voneinander, schließlich kommt der schöne Beschluss, dass es nur für eine kleine Liebe reicht, die aber genauso richtig ist. (84)

L. widmet sich mit Hingabe der eigenen Lehrerei, geht absichtslos durch die Verkaufstempel dieser Welt und bucht am Schluss eine Reise nach Mexico.

Jürg Schubinger erzählt mit voller Hingabe bis an die Grenze zur Putzigkeit. Scheinbar unbeeinflussbar läuft das Leben der Heldin ab, die vielen "man"-Fügungen erzeugen die Stabilität von unverrückbarem Schicksal. So ist es eben, wenn man "lebt". Gleichzeitig funkeln an allen Ecken und Enden liebevolle Details aus dem Tagwerk, die jeden noch so unscheinbaren Tag zu einem besonderen Ereignis machen.

Am Schluss ist das Leben über die Bühne gebracht, es hat manchmal ein bisschen weh getan, war zwischendurch etwas aufregend, aber ist im Endeffekt glatt abgelaufen wie ein Stück Seife, die eines Tages durchgewaschen und aufgebraucht ist. - Wunderbar poetisch und logisch.

Jürg Schubiger, Die kleine Liebe. Roman.
Innsbruck: Haymon 2008. 123 Seiten. 14,90. EUR. ISBN 978-3-85218-588-3.

 

Weiterführende Links:
Haymon-Verlag: Jürg Schubiger, Die kleine Liebe
Wikipedia: Jürg Schubiger

 

Helmuth Schönauer, 03-04-2008

Bibliographie

AutorIn

Jürg Schubiger

Buchtitel

Die kleine Liebe

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2008

Verlag

Haymon

Seitenzahl

123

Preis in EUR

14,90

ISBN

978-3-85218-588-3

Kurzbiographie AutorIn

Jürg Schubiger, geb. 1936, lebt in Zürich und im Tessin.

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