Gundi Feyrer, Die Wolldecke

Buch-CoverOft liegen die Geheimnisse unter einer Wolldecke versteckt, das Kind schlüpft darunter und die Abenteuer legen los.

In Gundi Feyrers Geschichten spielt ein anonymes Gattungs-Kind die Hauptrolle, es nimmt ständig neue Eigenschaften an, während es die Umwelt erkundet, und gleicht so einem Erzähl-Chamäleon, das vor allem über die angepasste Haut die Erlebnisse zum Vorschein bringt.

Die einzelnen Geschichten hängen über dieses Kind lose zusammen und tragen teils einfache, teils üppige Titel wie: Die Hagebuttensträucher (11); Die Sinnlosigkeit, die Kreise dreht (sie anwirft, um Bewegung zu erzeugen, um auf der Stelle zu bleiben, zu treten, um ein wenig Luft zu spüren) oder: Der Hase (41); Eine Baumwurzel, verkleidet als Gewitter und alles zusammen: ein fliegender Teppich, der auf dem Kopf steht (97).

In diesen Titeln ist schon ein wesentliches Merkmal der Texte enthalten, nämlich scheinbar einfache Dinge kompliziert wahrzunehmen und große Erkenntnisschleifen auf einen Gegenstand oder ein Symbol zurückzuführen.

Das Kind greift gerne in die Tube der Naivität, wenn es komplizierte oder paradoxe Sachverhalte hervorkramt.

  • "Er ist so schwarz, wie die Nacht blau ist", sagt das Kind zum Lastwagenfahrer. (64)
  • "Alle müssen in die Schule gehen, das ist das Loch, in dem sie für das künftige Loch, das Leben, vorbereitet werden." (65)
  • "Es gibt immer Aufträge, unsinnige Aufträge, deren Unsinnigkeit ich genieße."(56)

Oft beginnen Sequenzen mit einem Befehl, einem liebevollen Sager oder einer leicht verstümmelten philosophischen Erkenntnis. Die ganze Welt beugt sich zum Kind hinab, um in einer beinahe infantilen Logik einen Spruch zum Besten zu geben.

Das Kind freilich zahlt mit gleicher Wortmünze zurück und steigert die Botschaft in Nonsens, der dann in eine frische Erkenntnis umkippt. So wie Eltern oft fassungslos sind, wenn das Kind etwas scheinbar Kluges hervorgebracht hat, werden hier die Erwachsenen in ihrer Infantilität entlarvt, wenn das Kind davon berichtet, was wirklich los ist.

Allmählich entsteht unter der Wolldecke des Erzählens eine einzigartige Welt, die manchmal spielerisch am Nasenring vorgeführt wird, dann aber auch die Figuren zu Hampelmännern degradiert. Je pathetischer die Fügungen ausfallen, umso schlichter sind die Botschaften, die diesen mehrdeutigen Sätzen unterlegt sind.

Gundi Feyrer erzählt von der Welt in einem logisch-naiven Duktus, der es aber faustdick hinter den Ohren hat. Ihr müsst werden wie die Kinder, heißt es irgendwo im Sprichwörterbuch. Aber wehe, wenn die Figuren diese Kinder-Sprache übernehmen, dann wird die Welt auf den Kopf gestellt.

Gundi Feyrer, Die Wolldecke. 3 Geschichten.
Wien: Passagen 2008. 149 Seiten. EUR 18,-. ISBN 978-3-85165-826-2.

 

Weiterführende Links:
Passagen-Verlag: Gundi Feyrer, Die Wolldecke
Wikipedia: Gundi Feyrer

 

Helmuth Schönauer, 08-07-2008

Bibliographie

AutorIn

Gundi Feyrer

Buchtitel

Die Wolldecke. 3 Geschichten

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2008

Verlag

Passagen

Seitenzahl

149

Preis in EUR

18,00

ISBN

978-3-85165-826-2

Kurzbiographie AutorIn

Gundi Feyrer, geb. 1956 in Heilbronn, lebt in Córdoba, Andalusien.

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