Helmut Rizy, Ahasver kehrt zurück
Manchmal lernt man aus einem Roman mehr über ein Thema als durch ein Studium. Im Roman nämlich dürfen gedankliche Alternativen ungeniert ausgesprochen werden, die in einer streng normierten wissenschaftlichen Öffentlichkeit tabu sind.
Helmut Rizy stellt mit seinem Roman nicht mehr und nicht weniger als die offizielle staatstragende Ideologie des Staates Israel auf den Kopf. Zu diesem Zweck lässt er seinen Helden ziemlich ernüchtert aus Israel ausreisen, und es ist vorerst gar nicht klar, ob es eine Ausreise für immer ist.
Ahasver gilt landläufig als der stets umherziehende Jude, wenn Ahasver folglich zurückkehrt, ist noch lange nicht klar, wohin diese Rückkehr erfolgt.
Der Plot des Romans erzählt von Gershon, der in Shanghai geboren ist und über Südafrika nach Israel gekommen ist. Während sich seine Schwester als glühende "Ben-Gurionistin" aufführt und das Land mit aller Gewalt aufbauen will, klingeln bei Gershon bald einmal die Alarmglocken. Nach der Invasion auf den Golanhöhen merkt er, dass im Staate Israel offiziell die Dinge ganz anderes ausgesprochen werden als es tatsächlich Fakt ist.
Gershon reist nach Wien, mit nichts anderes im Gepäck als alten Fotos. Hier will er die Spuren seines Vaters aufnehmen, der vor den Nazis gerade noch nach Shanghai flüchten konnte.
Und sofort stellt sich eine brutale Parallele ein: Kann man die Flucht vor den Nazis mit der Flucht aus einem militärisch wild gewordenen Staat Israel vergleichen?
In Wien lässt sich der Held durch die verschiedenen Schichten der Stadt führen, es gibt etwa das kulturelle Wien, das monarchistische, das antisemitische oder das jüdische. Bald einmal verliebt sich der Heimgekehrte in seine Führerin Gerlinde, es scheint langsam alles bodenständig zu werden.
In zahlreichen Gesprächen wird der Unterschied zwischen dem religiösen und politischen Judentum herausgearbeitet, die Geschichte des Staates Israel kommt völlig ungeschminkt zum Vorschein, die Siedler auf palästinensischem Gebiet erweisen sich offensichtlich als unzähmbare Fundamentalisten, die sich gegen jegliche Friedenslösung sperren.
Einmal noch muss Gershon zurück nach Israel, um die Sachen zu regeln, dann steht im open end einer Heimkehr nach Wien nichts mehr im Wege.
Helmut Rizys Roman ist brennend aktuell, ungewöhnlich frech in seinen Thesen, welche die Figuren von sich geben, und eine feine Einführung in die Problematik des Staates Israel mit all seinen utopischen und brachialen Zielen. Die Liebesgeschichte, die sich durch die politischen Brocken schlängelt, ist wohltuend leise und reif zurückgenommen.
Helmut Rizy, Ahasver kehrt zurück. Roman.
St. Wolfgang: Edition Art Science 2008. 269 Seiten. EUR 20,-. ISBN 978-3-902157-51-5.
Weiterführende Links:
Edition Art Science: Helmut Rizy, Ahasver kehrt zurück
Wikipedia: Helmut Rizy