Christine Trüb, Ach der

Buch-CoverManchmal muss man die Helden in die Versenkung stecken, um ihrer habhaft werden zu können.

In Christine Trübs Roman liest eine Erzählerin dem Mann neben ihr etwas vor, aber dieser schläft regelmäßig an der gleichen Stelle ein. Offensichtlich sperrt sich etwas in ihm, die vorgelesene Geschichte zu sich zu lassen.

Dabei sind die vorgelesenen Stellen etwas Aufregendes, das Licht in die Vergangenheit bringen könnte. Doch die Kindheit dieses Protagonisten ist längst abgeschlossen, und wie einst einmal jemand die Frage gestellt hat, was denn mit dem Vater los sei, so lässt sich auch jetzt die Geschichte nicht dynamisch in die Gegenwart bringen. Der abschätzige Satz gilt immer noch: "Ach der" (25)

Nach diesem Vorspann, der das Erzählen, Erinnern und Wachhalten zum Thema hat, setzt sich dann im zweiten Teil eine konzentrierte Erinnerung an eine scheinbar ereignislose Zeit durch.

Ich will meine Geschichte hinter mich bringen, sie ohne Umschweife vorantreiben. (26)

Ziemlich unaufgeregt versucht der Erzähler seine Story vor sich selbst abzuklären und die persönliche Geschichte in der allgemeinen zu verankern.

Schlüsselerlebnis ist sicher die Position als Einzelkind. Was für die Literatur sehr hilfreich ist, man kann nach Herzenslust erzählen und braucht auf niemanden Rücksicht zu nehmen, macht dem Protagonisten doch zu schaffen.

Ich war immer davon überzeugt, ein Einzelkind müsse dafür herhalten, dass es als Einziges geboren wurde. [...] Ich fantasierte lange einen totgeborenen Zwillingsbruder, den sie mir verheimlicht hatten. (78)

Tatsächlich scheint die Welt der 1950er Jahre perfekt zu sein, alles geht seinen gelungenen Lauf und alles prosperiert. Das Einzelkind hält sich letztlich an diese Philosophie, wonach alles da ist, wenn es zum Greifen da ist. Dem Kind mangelt es scheinbar an nichts, es durchlebt mit sich einen unaufgeregten Bildungsroman und wird erwachsen wie in einem Fotoalbum.

Christine Trüb erzählt aufregend von einer sich selbst davonlaufenden Zeit. Erst im Hintennach, wenn wir reflektieren oder an bestimmten Stellen einschlafen, ergibt sich ein größerer Zusammenhang. In der echten Welt der 1950er Jahre aber hat niemand etwas davon mitbekommen, so wie wahrscheinlich die Einzelkinder der Gegenwert nichts von den "Nuller-Jahren" mitkriegen werden. Ein raffiniertes Erzählkonzept, womit sich die jeweiligen Epochen ganz schön aus den Angeln heben lassen.

Christine Trüb, Ach der. Roman.
Hohenems: Limbus 2009. 138 Seiten. EUR 15,90. ISBN 978-3-902534-25-5.

 

Weiterführende Links:
Limbus-Verlag: Christine Trüb, Ach der

 

Helmuth Schönauer, 19-09-2009

Bibliographie

AutorIn

Christine Trüb

Buchtitel

Ach der

Erscheinungsort

Hohenems

Erscheinungsjahr

2009

Verlag

Limbus

Seitenzahl

138

Preis in EUR

15,90

ISBN

978-3-902534-25-5

Kurzbiographie AutorIn

Christine Trüb, lebt in Zürich.

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