Neeli Cherkovski, Fallendes Licht

Die raren Gedichtbände beinahe schon verlorengegangener Lyrik-Helden gleichen unauffälligen Meteoriten: Während Gras über ihren Einschlagkrater wächst, beginnen sie aus der schwarzen Antimaterie heraus zu funkeln.

Neeli Cherkovski, der alte Haudegen aus der kleinen Schar der Ur-Beatniks, hat mit seinem Band „Falling Light“ einen solchen Meteoriten nach Europa gesandt, wo er in der Übersetzung „Fallendes Licht“ im kleinen Zirler Verlag BAES gelandet ist.

Elias Schneitter nennt denn auch den Autor „eines der letzten Blumenkinder der Poesie“.

In der Sammlung „Fallendes Licht“ sind nun knapp dreißig Gedichte ins Deutsche übersetzt, schön ausgewogen aufgeteilt in die unvergessliche Langform der Beatniks und in die Grabinschrift ähnliche Kurzform ihrer Spontanlyrik.

Stille // Er riss ein / Blatt von dem Baum / rannte die Schlucht hinab / und hinterließ einen schweren / Umhang aus Stille (17)

Diesen eruptiven Ein-Zeilern sagt man nach, dass sie oft ein ganzes Leben begleiten können bis hin zur gelungenen Erschöpfung des Poesie-Trägers unter dem Grabstein.

Freude // Der junge Mann wartete / bis er ein alter Mann war / um seine kindliche Freude zu zeigen (20)

Die längeren Gedichte kratzen durchaus am Essayhaften, da wird eine These mehrmals hin und her gedreht wie ein Werkstück, ehe es passt.

Das Denken ist, was sich an / Herbstfenstern weidet, du brichst / die düsteren Mauern auf und findest / ununterbrochene Zeit, Wahrnehmung / fließt in eine hohle Hand, / Freunde verschwinden, Ideen / suchen Unterschlupf, Gefühle / suchen Deckung, jeder Tod / schindet das Gehirn, du / hörst Zungen zittern und / Mauern zu Staub zerfallen. (8)

Und das wesentlichste Merkmal dieser Lyrik ist die permanente Aufbruchsstimmung, eine Art poetisches Zappel-Philipp-Syndrom. Umso bemerkenswerter ist dieser Aufbruch, wenn diese Reisen manchmal ein Ziel vortäuschen, und vollkommen aufregend wird es, wenn Innsbruck das Reiseziel eines Beatniks wird.

es ist in Ordnung, nach vorne zu schauen / zu sagen, ich schreibe noch ein Buch, ich werde / nach Innsbruck fliegen und meine Gedichte vortragen, / ich werde im Haus meines Freundes in den toskanischen / Hügeln schlafen, Kaffee als Belohnung im Morgengrauen / über Carraras marmornen Hügeln (55)

In den Illustrationen kommen in Graffiti-schwerem Strich ganze Familienaufstellungen zum Vorschein, wobei der Tod oft den Vorsitz des Clans übernimmt. Manchmal sitzen Vögel auf den Köpfen der Protagonisten und weisen darauf hin, dass auch die Zeichnungen Lyrik sind. Und was sich in diesen Skizzen nicht eindeutig darstellen lässt, wird handfest mit Wörtern unterlegt, wie jener weiße Bart im Gesicht eines müden Helden, der einfach als weißer Bart beschrieben ist.

In einem Gespräch zitiert Neeli Cherkovski Friedrich Hölderlin als Leitstern der Poesie: „Dichterisch wohnt der Mensch auf dieser Erde!“

Neeli Cherkovski, Fallendes Licht. Falling Light. Amerikan. und deutsch. A. d. Amerikan. von Daniel Ostermann. Illustrationen von Neeli Cherkovski. Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Elias Schneitter.
Zirl: BAES 2013. 114 Seiten. EUR 25,90. ISBN 978-3-9503559-7-0.

 

Weiterführende Links:
Edition BAES: Neeli Cherkovski, Fallendes Licht
Wikipedia: Neeli Cherkovski

 

Helmuth Schönauer, 24-01-2014

Bibliographie

AutorIn

Neeli Cherkovski

Buchtitel

Fallendes Licht. Falling Light. Amerikan. und deutsch

Originaltitel

Falling Light

Erscheinungsort

Zirl

Erscheinungsjahr

2013

Verlag

Edition BAES

Übersetzung

Daniel Ostermann

Seitenzahl

114

Preis in EUR

25,90

ISBN

978-3-9503559-7-0

Kurzbiographie AutorIn

Neeli Cherkovski, geb. 1945 in Santa Monica, lebt seit 1974 in San Francisco.