Andrea Zanzotto, Dorfspiel

Wie kann man einen ungewöhnlichen Lyriker in einer kleinen Schau präsentieren, ohne dass sein Werk zurückgestutzt wird auf die Erfordernisse der modernen Editionskultur?

Unter der geistigen Schutzmacht der Bücherwürmer Lana wird der Lyriker Andrea Zanzotto in einem „kleinen Buch außerhalb der Reihe“ vorgestellt.

Andrea Zanzotto gilt als großer Erneuerer der italienischen Lyrik im 20. Jahrhundert, seine Lyrik steht beidbeinig im Dialekt und in der Venetischen Hochsprache auf dem Boden eines Gevierts, das als geografisches Viereck zwischen den Alpen und den Euganeischen Hügeln zugewiesen wird.

In diesem Quadrat explodieren die Landschaftszüge in allen erdenklichen Variationen, darin eingeflochten sind auch die lyrischen Vermessungspunkte Zanzottos, oft nur mit einem sensiblen poetischen Navi auffindbar.

Der Text vom Dorfspiel bildet das Zentrum dieser kleinen Hommage, dabei heißt die Zauberformel:

Das Dorfspiel, einst Zauberkraft, / ärmlich, das balancierte auf nichts, das schwebte: / heute mit mancher Münze mehr / bleiern schwer / Einhundert Hallen Gestank / zwicken wie Zwickzange. (117)

Als Hauptthema dieser Lyrik kann vielleicht das Implementieren von Geschichte in eine geschichtsneutrale Landschaft angesehen werden. Erster Weltkrieg, die Zerstörung der „Landstriche“ und der nicht enden wollende Blick hinauf ins Gebirge und hinunter zu den Hügeln umkreisen das Dorf, das stets heimelig als „mein Dorf“ benannt wird, oft sind zur Verstärkung sogar Äpfel im Garten drin.

In einem Gräberausflug streift das lyrische Ich von einem Denkmal zum nächsten, die ganze Landschaft ist voll davon, oft sind die Denkmäler nur Kerben und Krater, manchmal nur ein Geruch von Zerstörung.

In den Gehegen der Berge / haben sie mich erreicht / haben mich beim Namen gerufen / und mich an den Füßen berührt. (29)

Diesen Auszügen aus frühen Gedichten „da hinten in der Landschaft“, aus der mittleren Periode und dem letzten Werk „Conglomerati“ sind Aufsätze und Übersetzungen der Fans von Andrea Zanzotto hinzugefügt. Vor allem der Beitrag „Gespenstische Gegend“ von Donatella Capaldi bringt frisches Licht in das analysierte Werk, dabei sind einige Fügungen mindestens so originär wie die begutachteten Texte.

Dichtung besteht auch darin, ein weiteres Grau wegzukratzen, den "Schimmel“, der die Welt von Anbeginn an wie eine Pilzerkrankung bedeckt, unter der unser Planet zu allen Zeiten gelitten hat. (103)

Lyrik von Weltformat hat die Eigenschaft, Zeilen wie Ohrwürmer auszusondern, die den Leser dann tagelang poetisch verfolgen. Im Falle Andrea Zanzottos könnte die der Ohrwurm sein:

Schon bohrt sich die Sonne / in die blinden Stollen der Fenster / saugt und zerreißt alles / Ungesonderte in mir. (9)

 

Andrea Zanzotto, Dorfspiel. Ein kleines Buch außer der Reihe.
Aus dem Italienischen von Donatella Capaldi, Maria Fehringer, Ludwig Paulmichl, Peter Waterhouse. Mit Beiträgen von Donatella Capaldi und Peter Waterhouse
Bozen, Wien: folio 2014. 153 Seiten. EUR 19,90. ISBN 978-3-85256-633-7.

 

Weiterführende Links:
Folio Verlag: Andrea Zanzotto, Dorfspiel
Wikipedia: Andrea Zanzotto

 

Helmuth Schönauer, 17-01-2014

Bibliographie

AutorIn

Andrea Zanzotto

Buchtitel

Dorfspiel. Ein kleines Buch außer der Reihe

Erscheinungsort

Bozen

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Folio Verlag

Übersetzung

Donatella Capaldi / Maria Fehringer / Ludwig Paulmichl / Peter Waterhouse

Seitenzahl

153

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-85256-633-7

Kurzbiographie AutorIn

Andrea Zanzotto geb. 1921 in Pieve di Soglio/Treviso, gestorben 2011.