Thomas Willmann, Das finstere Tal

Das ist in der Literatur ganz selten, dass eine Tirol-Ikone vom Cover glänzt und der ganzen Welt zeigt, wie ein echter Tiroler drein schaut.

Tobias Moretti gelingt dieses Kunststück, indem er vom cineastisch aufpolierten Roman „Das finstere Tal“ von Thomas Willmann funkelt. Das Genre „Alpen-Western“ erfährt dieser Tage jedenfalls in Film und Roman einen Höhepunkt.

Seit beide Aggregatszustände des „Finsteren Tales“ durch die Medien geistern, ist es natürlich unmöglich, sie getrennt von einander als Einzelkunstwerk zu rezipieren. Dennoch lohnt es sich, den Film als Film und den Roman als Roman zu genießen, indem man die Gegen-Medien jeweils kurz ausblendet.

Dann zeigt sich der Roman als ziemliches Kunstwerk, das bewusst auf Klischee-Bohlen in das Genre gerammt ist. Völlig in schwarzweiß gehalten erinnert der Roman an eine Graphic-Novel ohne Zeichnung, die Figuren sprechen nur das Nötigste und die Logik der Handlung bedarf keiner Nachfrage, denn sie wird vom ehernen Gesetz des Westerns geschrieben.

Schon die kleine Katzen-Sequenz in der Einleitung zeigt die Dramaturgie des finstern Tales. Eine knorrige Hand sortiert den frischen Katzenwurf, zu den einen sagt eine Stimme „De“, die dürfen weiterleben, die anderen werden an der Wand „derschmissen“.

Die Geschichte ist klar und eindeutig und wird nicht umsonst von den Ahnvätern des schroffen Erzählens Sergio Leone und Ludwig Ganghofer abgeleitet.
Ein Fremder kommt ins abgelegene Hochtal, er zeigt ein paar Münzen, „um die Gier der Bewohner zu wecken“, damit sie ihn überwintern lassen. Er ist Maler und fügt sich als Sonderling in die soziale Szenerie ein. Doch dann tauchen die ersten Toten auf, die dem Brenner-Clan zuzuordnen sind, der das Tal beherrscht.

Anlässlich einer Beichte mit dem Gewehr in der Hand rollt der Fremde die wahre Struktur des Tales auf und liquidiert die Bösewichte.

Die Macht des alten Brenner nämlich beruht auf dem Recht der ersten Nacht, genaugenommen stammen alle Bewohner des Tales von einem einzigen gewalttätigen Samenspender ab, weshalb es auch unmöglich ist, sich aus dieser genetischen Umklammerung zu befreien.

Der schroffe Erzählstil mit den gekläfften Wortmeldungen der Protagonisten wirkt wie vom Schicksal diktiert. Während Landschaft, Charakterzüge und Sprachkompetenz der Figuren auf einen Strich zusammengestutzt sind, wird der Roman üppig und friert sich selbst ein, wenn es um die Kampfhandlungen des unendlich langen Finales geht.

Das Leseabenteuer besteht in der Konsequenz, mit der die Western-Klischees bedient werden und der Konsequenz der dadurch erzeugten Wirklichkeit. Viele unserer touristisch erschlossenen Täler sind nach der Methode des Bösewichts Brenner durchgezeugt und aus dem Boden gestampft worden. Wie man sich von der Wirklichkeit befreien sollte, ist noch ungelöst, in der Literatur freilich gelingt es mit einem Showdown. – Eine überzeugende Darstellung alpiner Archaik.

Thomas Willmann, Das finstere Tal. Roman. [Orig.: München, Liebeskind 2010].
Berlin: Ullstein Taschenbuch Verlag 2014. 314 Seiten. EUR 10,30. ISBN 978-3-548-28640-2.

 

Weiterführende Links:
Ullstein Verlag: Thomas Willmann, Das finstere Tal
Wikipedia: Thomas Willmann

 

Helmuth Schönauer, 26-02-2014

Bibliographie

AutorIn

Thomas Willmann

Buchtitel

Das finstere Tal

Erscheinungsort

Berlin

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Ullstein Taschenbuch Verlag

Seitenzahl

314

Preis in EUR

10,30

ISBN

978-3-548-28640-2

Kurzbiographie AutorIn

Thomas Willmann, geb. 1969 in München, lebt in München.