Stanislav Struhar, Das Gewicht des Lichts

Vielleicht erleben wir immer neue Abschnitte bloß deshalb, um die alten zu vergessen.

Stanislav Struhar macht sich mit dem Roman „Das Gewicht des Lichts“ an eine ungewöhnliche Aufgabe heran. Durch die pure Kraft des sommerlichen Lichts versucht ein etwas lebenswackelig gewordener Held wieder Gelassenheit zu finden im Zentrum der eigenen Protuberanzen.

Fabian hat schon ein paar Lebens-Stationen hinter sich, die vor allem darin bestanden haben, in Wien oder Rom heimisch und authentisch zu werden. Jetzt ist gerade wieder Umbruchszeit und Fabian tritt eine Stelle als Ferien-Hausmeister an, das heißt er verwaltet und pflegt an der ligurischen Küste bei Ventimiglia ein paar Ferienwohnungen seines Onkels. Unterstützt wird er dabei von Kerstin, die ihrerseits eine Handvoll Wohnungen betreut für die stets wechselnden Gäste aus dem ganzen Kontinent.

Der ganze Landstrich ist zu einem Boulevard des Sommers geworden, die Touristen kommen, um sich zu räkeln und ihr Schicksal in eine neue Richtung zu drehen. Manche Frauen flanieren schon seit Jahren mit ihrem Anmachdress durch die Gassen, es geht um gute Stimmung, nicht das etwas belastend Inniges daraus entstünde.

Fabian erledigt seine Arbeiten, Abflussrohre freimachen, Kaffee nachfüllen, putzen, die Gäste begrüßen und Frohsinn abstrahlen. Ab und zu läuft er Kerstin in die Quere, sie kauft gerade einen frischen Bikini, also ziehen sie hinaus ans Meer und lassen alles treiben. Kerstin soll schon einmal heftig verliebt gewesen sein, erfährt Fabian hinten herum, aber das macht nichts, jetzt liegen sie abgeklärt und ausgeschält in der Sonne wie die Reste einer geplatzten Frucht.

Das Leben reduziert sich angesichts des Lichts auf Stimmen, oft hat man in diesem Ambiente stundenlang die Augen geschlossen und hört bloß zu, in welchen Sprachen gesprochen wird, Moldawier, Ukrainer, Finnen, Schweizer. Am Ton merkt man mit der Zeit, ob die Sprechenden heimisch geworden sind oder ob sie heimisch werden dürfen.

Es sind auch Einwanderer in der Stadt, die sich recht und schlecht durchlagen, spätestens im Alter aber wollen sie alle wieder nach Hause. (85)

Eine neue Heimat lässt sich nicht finden, es gibt nur eine Heimat. (160)

Viele haben durchaus abgeschlossen mit ihrer Suche, viele sind müde geworden, andere haben gelernt, sich den Witterungen der Umgebung auszusetzen und zu warten.

Stanislav Struhar erzählt von einem Stillleben in der urbanisierten Natur in Echtzeit. Alles hat seine eigene Geschwindigkeit, der Tourismus ist überschaubar und menschlich, die Geflohenen haben ausreichen Zuflucht, die Sehnsüchtigen werden in ihrer Sehnsucht nicht abgewürgt.

Und dennoch ist es dann eine Spur anders, wenn man um die nächste Ecke biegt, denn die Sehnsucht biegt sich mit. „Es war der bislang wärmste Tag in diesem Jahr, und die Stimmung ließ erahnen, dass die Nacht lang würde.“ - Leise und aufregend wahr!

Stanislav Struhar, Das Gewicht des Lichts. Roman.
Klagenfurt: Wieser 2014. 200 Seiten. EUR 21,-. ISBN 978-3-99029-088-0

 

Weiterführende Links:
Wieser Verlag: Stanislav Struhar, Das Gewicht des Lichts
Wikipedia: Stanislav Struhar

 

Helmuth Schönauer, 18-04-2014

Bibliographie

AutorIn

Stanislav Struhar

Buchtitel

Das Gewicht des Lichts

Erscheinungsort

Klagenfurt

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Wieser Verlag

Seitenzahl

200

Preis in EUR

21,00

ISBN

978-3-99029-088-0

Kurzbiographie AutorIn

Stanislav Struhar, geb. 1964 in Gottwaldov (Zlin), lebt in Wien.

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