Otto Tremetzberger, Nelson Mandela hatte vielleicht eine schöne Zeit auf Robben Island

Das pure Gefängnis ist letztlich ein Zeitloch, in das der Gefangene gestürzt wird.

Otto Tremetzberger beginnt seine Erzählung mit einer beinahe religiös idyllisierten Erlösungssequenz. Nelson Mandela ist auf Robben Island eingesperrt und hat jeden Zeitbegriff verloren. Die Vergangenheit ist in Gestallt von alten Zeitungen um den Abfluss gewickelt, die Nachrichten, die Zeit und die ausgerissene Zeitung sind ins Unermessliche entrückt.

Gerade als man sich als Leser auf eine Mandela-Geschichte einstellt, wird man darauf verwiesen, dass es sich dabei nur um ein Ikonenartiges Zitat einer Geschichte handelt, die ein Ich-Erzähler teils schreibt, teils mit sich selbst inszeniert. Der Protagonist fährt scheinbar grundlos über Innsbruck nach Zürich, um dort ein Referat zu halten, das ihm aber nur zerbröselte Aufmerksamkeit, Grippe-Attacken und einen formidablen Rotz einbringt.

Wieder zu Hause nimmt er sich Urlaub und flüchtet in ein Ferienhaus, das er noch aus der Jugendzeit kennt. Aber die Grundstimmung rinnt überall gleichförmig ins Leere: „Ich gehöre nicht mehr hierher.“ (64)

In der Folge atomisiert sich die Wahrnehmung des Erzählers und gleicht phasenweise der frühen Handke-Erzählung „Die linkshändige Frau“. Die Dinge erzählen jeweils den Anfang einer Geschichte, die sich sofort jeglicher Logik entledigt und mit Traum-ähnlichen Sequenzen um sich wirft.

Im Traum ist alles so einfach, so vernünftig, so unglaublich einfach. (90)

Dabei kommt es zu einem absurden Verkehrsunfall, die Teilnehmer am Unglück prallen wie Spielzeug im rechten Winkel aufeinander. Ein Opfer ruft selbst die Rettung an, und das Opfer „bin vielleicht ich selbst.“

In einer Nacht um 00:25 schreibt der Erzähler den titelgebenden Satz auf. Nelson Mandela hatte vielleicht eine schöne Zeit auf Robben Island. Vielleicht ist diesem Satz ein Traum vorausgegangen voller Isolation und Reduktion. Bei Tageslicht muss der Erzähler feststellen: „Die Welt um mich herum wird immer kleiner.“ (98)

Jetzt richtet sich der Held individuell seinen Überlebensbunker ein in einem isolierten Keller, der als Survival-Zone ausgewiesen ist. Es ist beinahe ein Genuss, ein Gefangener zu sein, der sich selbst eingewiesen und eingeschlossen hat. Draußen gluckst noch ein Segelboot in angemessener Entfernung, dann fällt die Tür ins Schloss, eine neue Zeit beginnt.

Otto Tremetzberger reduziert durch diese Gefängnisinstallation alles Geschehen auf die wesentlichen Teile, dabei wird jegliches Lebensbild dekonstruiert, so dass am Schluss das bisherige Leben sauber geputzt und in Einzelteilen in der Erzähl-Schatulle liegt. Unter der romantisch-angelegten Grenzerfahrung brodelt schließlich die höllische Isolation. Eine verstörend klare Erzählung, die indirekt zur Hommage an Nelson Mandela wird.

Otto Tremetzberger, Nelson Mandela hatte vielleicht eine schöne Zeit auf Robben Island. Erzählung.
Innsbruck: Limbus 2014. 120 Seiten. EUR 13,90. ISBN 978-3-99039-002-3.

 

Weiterführende Links:
Limbus Verlag: Otto Tremetzberger, Nelson Mandela hatte vielleicht eine schöne Zeit auf Robben Island
Homepage: Otto Tremetzberger

 

Helmuth Schönauer, 27-05-2014

Bibliographie

AutorIn

Otto Tremetzberger

Buchtitel

Nelson Mandela hatte vielleicht eine schöne Zeit auf Robben Island

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Limbus Verlag

Seitenzahl

120

Preis in EUR

13,90

ISBN

978-3-99039-002-3

Kurzbiographie AutorIn

Otto Tremetzberger, geb. 1974, lebt in Linz.