Susanne Schaber, Lesereise Island

Island gilt allenthalben als dermaßen einmalig, dass es davon nicht einmal ein Kitsch-Fassung gibt. Was immer man auch über Island sagt, es stimmt, denn es ist an manchen Tagen nicht von dieser Welt.

Susanne Schaber streift in ihrer Lesereise gleich einmal diesen Aggregatzustand zwischen Feuer und Eis, der die groteskesten Farbspiele auslost.

So wie hier erlebt man es nirgendwo sonst: Ein pralles, giftig wirkende Grün blitzt durch die Dunkelheit, von gelben, ins Orange driftenden Streifen durchsetzt. Es kann auch ein leichtes Blau oder Lila mit dabei sein, und vor allem dieses weithin leuchtende Purpur. (25)

Der erste Schwerpunkt widmet sich diesen geographischen Gegebenheiten einer Insel, die zur Hälfte Ödland ist und deren Hochland im Innern allein schon die Größe von Bayern hat. Das Straßennetz besteht aus einem Außenring entlang der Küste um die Insel herum und aus Abzweigungen, die immer unwegsamer werden, je höher die Bezifferung ist, ab dreistellig braucht es Expeditionsfahrzeuge. Allein vierzig Experten hocken Tag und Nacht über Bildschirmen und werten die aktuellen vulkanischen und tektonischen Beben aus, und von Zeit zu Zeit geht ein Vulkan in die Luft und verstreut seine Asche über die halbe Welt.

Ein zweiter Fokus richtet sich auf jene Menschen, die dieser Gegend das Überleben abbringen oder ihren Traum verwirklichen. Entlegene Hotels spielen dabei genau so eine Pionier-Rolle wie eine Hering-Fabrik, die in der Ödnis schließen muss, als die Schwärme ausbleiben.

Am Beispiel einer deutschen Auswanderin nach dem Krieg kommt auch die jüngste Geschichte zur Sprache. Als das damalige Mutterland Dänemark von den Nazis okkupiert wird, erklärt sich Island 1944 für unabhängig, zumal es schon Vorbereitungen geben soll, dass   deutsche Frauen zur Besiedelung ausgesetzt werden. Die angesprochene Auswanderin ist dann freiwillig und glücklich über Jahrzehnte geblieben.

Die dritte Erzählachse ist vielleicht die Moral von der Geschichte. Was können wir daraus lernen, dass es so ein extremes Land- und Politgebilde am Rand des Atlantiks gibt? Die Träume von Aussteigern sind offensichtlich zu wenig hilfreich, es braucht ein starkes soziales Gefüge, das ein zukunftsfrohes Leben in Island ermöglicht.

Der Kapitalismus hat in Form seiner Blasen ordentlich an der Insel angeklopft und sie nahe an den Staatsbankrott gebracht. Diese Krise hat und gutgetan, sagen mittlerweile die meisten, denn jetzt sind sie wieder auf dem Boden angelangt.

Jetzt wollen alle wieder Leberkäse und Lammfleisch und Wollstrümpfe und gute Bücher lesen, die alten isländischen Werte eben. (121)

Und in den angesprochenen Büchern kommt oft die einzigartige Erzählform der Isländer zum Vorschein. In einer einzigen Schwarz-Weiß-Saga geht es wie in griechischen Tragödien um Treue, Feme, Ehrgefühl. Aber das Stück muss immer improvisiert aufgeführt werden, denn stets bricht ein Naturereignis los und spielt ohne Dreherlaubnis mit.

Island zeigt sich als einzigartige Welt, und Susanne Schaber ist ihr mit einer subtilen Essay-Sprache wundersam nahe gekommen.

Susanne Schaber, Lesereise Island. Fluss passiert, Eis in Sicht.
Wien: Picus 2014. 130 Seiten. EUR 14,90. ISBN 978-3-7117-1049-9.

 

Weiterführender Link:
Picus Verlag: Susanne Schaber, Lesereise Island

 

Helmuth Schönauer, 28-07-2014

Bibliographie

AutorIn

Susanne Schaber

Buchtitel

Lesereise Island. Fluss passiert, Eis in Sicht

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Picus Verlag

Seitenzahl

130

Preis in EUR

14,90

ISBN

978-3-7117-1049-9

Kurzbiographie AutorIn

Susanne Schaber, geb. 1961 in Innsbruck, lebt in Wien.