Egyd Gstättner, Am Fuß des Wörthersees

Wenn der semantische Blödsinn schroff genug ist, wird es als etwas Selbstverständliches empfunden. Floskel-reiche Lokalgrößen in Kärnten sprechen seit Jahrzehnten vom Fuße des Wörthersees, wenn sie an seinem Ufer stehen, so dass diese Fügung mittlerweile für besonders authentisches Kärntnerisch gehalten wird.

Egyd Gstättner nennt seine Essays, Reportagen und Analysen schlicht Nachrichten aus der Provinz. Dabei muss er immer Zweifaches erzählen, nämlich den sogenannten trostlosen Inhalt eines stumpfen Ereignisses und zusätzlich den selbst-legitimierenden Erzähl-Standpunkt als Antwort auf den Vorwurf, dass er ja nie aus Klagenfurt weggegangen ist.

Egyd Gstättners Berichte haben tatsächlich etwas von einer Kärntner Wahrheit, die man dem Land nicht mehr zugetraut hätte. Als einziger Schriftsteller hat er nämlich auch zu Zeiten der Hollodrios, Feschaks und Seebühnendivas das Land nicht verlassen in der aberwitzigen Hoffnung, dass ein Einziger schreibend das Land reinigen kann, wenn er sich treu und bei der Wahrheit bleibt.

So ergibt sich die Beobachterposition eines Badewaschls, der einem Seepolizisten zuwinkt wie einem Kommissar einer abgesoffen-seichten Serie, während sich unter dem Gekreisch der Braunen und Gebräunten die Kärntner Weisheit durchsetzt: „Der Schönere gibt nach.“ (10)

In einem Seufzer-Kommentar zu einem sogenannten Lessiak-Gedicht wird das Ungute und Kitschige der Heimatlyrik aufgerollt, wonach der Herrgott einen Urknall gehabt hat, als er das Land erschaffen hat. Das Schlimme an Kärntner Klischees ist, dass sie selbst zu einem festen Bestandteil der Schöpfungsgeschichte geworden sind und als solche nicht entlarvt werden können. Der angesprochene Lessiak ist später als Kärntner Germanist in die Welt hinaus gezogen in die Bedeutungslosigkeit.

Den umgekehrten Weg ist der Leiter des Musil-Archivs gegangen, er ist bedeutungslos ins Land gekommen und geblieben. Der große Musil hat ein paar Wochen als Säugling in Klagenfurt verbracht, ehe er über den Platz zum Bahnsteig getragen worden und abgereist ist für immer. Aus dieser Szene ein Musil-Archiv zu schaffen ist etwa so frivol, wie wenn man im niederländischen Heerlen ein Thomas Bernhard Säugling Museum aufziehen wollte.

Ein witziges Highlight am Fuße des Wörthersees sind immer die Wettlesungen zum Bachmann-Preis, der Autor beliefert schon seit Jahren mit der gleichen Matrix die diversen Zeitungen, er tauscht jeweils die Akteure aus und hat immer einen topp-aktuellen Artikel.

Eine kurze Nachschau im würdelosen Kakerlaken-Dorf K. des Josef Winkler ergibt nichts, nicht einmal einen Essay kann man über diese Vorlage zur Weltliteratur Winklers verfassen.

Ein Besuch der nach Neuseeland ausgewanderten Cousine in Klagenfurt zeigt, wie Welt-entlegen sich letztlich das Klagenfurter Leben auf Minimundus-Niveau am Fuße des Wörthersees abspielt.

Aber genau deshalb, weil Egyd Gstättner in seinen Essays immer die Entfernung zur Welt mit erzählt, stehen diese Geschichten dann plötzlich da wie Stonehenge, rätselhaft, gigantisch, von einem Sprach-Hauer gestaltet, nicht von dieser Wörthersee-Welt!

Egyd Gstättner, Am Fuß des Wörthersees. Neue Nachrichten aus der Provinz.
Wien: Picus 2014. 220 Seiten. EUR 19,90. ISBN 978-3-7117-2012-2.

 

Weiterführende Links:
Picus Verlag: Egyd Gstättner, Am Fuß des Wörthersees
Wikipedia: Egyd Gstättner

 

Helmuth Schönauer, 20-08-2014

Bibliographie

AutorIn

Egyd Gstättner

Buchtitel

Am Fuß des Wörthersees. Neue Nachrichten aus der Provinz

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Picus Verlag

Seitenzahl

220

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-7117-2012-2

Kurzbiographie AutorIn

Egyd Gstättner, geb. 1962 in Klagenfurt, lebt in Klagenfurt.