E. W. Bichler, Der Kluibenschädel. Das Ende

Wie sich die sogenannte Freiheit in einer straff geführten Gesellschaft anfühlt, kann am besten jemand erklären, der gerade frisch aus dem Gefängnis entlassen worden ist.

E. W. Bichler schickt seinen Helden Kluibenschädel, der in mehreren existentiellen Abenteuern das Leben gemeistert hat, in eine durchaus an den Nerven zehrende Endzeit und schließlich in den Tod.

Der Ich-Erzähler Kluibenschädel wird nach mehreren Jahren Gefängnis umständlich entlassen und mit bürokratischen Auflagen überhäuft. Zu den unangenehmen Belästigungen zählen wohl die beiden Beobachter, die ihn ab jetzt auf Schritt und Tritt begleiten, befragen und überwachen.

Kluibenschädel ist offensichtlich wegen Staatsverrates ins Gefängnis gekommen, der vage Begriff Staatsuntergrabung liegt in der Luft. Die Aufpasser benehmen sich wie die Beamten in Kafkas Prozess, sie laden sich selbst ein, fressen Kluibenschädel das Frühstück weg und fordern ununterbrochen eine Unterschrift auf diverse Papiere, die niemand versteht.

Das Regime hat Durchsuchung und Befragung angeordnet! (62)

Der Entlassene versucht ein wenig Fuß zu fassen, vieles hat sich während seiner Gefängniszeit verändert, die Frau ist offensichtlich abgehauen, das Kino steht noch, die Wurstfrau versteht ihn nicht und setzt ihm mit zu viel Mayo zu. Zu Hause strahlt immer noch das Anschlusszimmer mit historischen Furunkeln.

An einem 12. März hat es nämlich im Land einen Anschluss gegeben und von diesem Zimmer aus ist die neue Fahne gehisst und der Anschluss der Wohnung an die neue Zeit vollzogen worden. Aus jener unsäglichen Zeit sind auch jede Menge preußischer Offiziere und marschierendes Personal übriggeblieben, die teilweise aus alten Fotos herauslugen oder in Alpträumen gleich direkt fett in den Sesseln des Anschlusszimmers sitzen.

Kluibenschädel kann allmählich nicht mehr zwischen Anklage und Urteil, Vorwurf und Unschuldsvermutung unterscheiden. Das Regime scheint immer noch das gleiche zu sein, die Struktur der Verwaltung ist eine Diktatur, die es mit dem Ständestaat durchaus aufzunehmen vermag. Die letzten Kapitel sind halb Traumprotokolle, halb Aufzeichnungen von Beamten.

Kluibenschädel wird die Treppe hinuntergestoßen und ein Sack mit Träumen geht auf, die sich in alle Winde verflüchtigen. Nach seinem Tod hat er einen Revolver in der Hand, sagt zumindest das Protokoll.

E. W. Bichler setzt mit seinem Kluibenschädel dort fort, wo bei Kafka der Mister K. bereits im Steinbruch hingerichtet worden ist. Selbst wenn man eine unsinnige Strafe absitzt, ist man deshalb noch nicht rehabilitiert und die Tortur der Diktatur beginnt von vorne. Das Besteck einer funktionierenden Diktatur sind seine Beamten, Kluibenschädel hat darunter zu leiden bis zum bitteren Ende. Als Leser ist man schließlich völlig fertig, dass dieses Ende so kommen muss, jetzt wo man Kluibenschädel so ins Herz geschlossen hat.

E. W. Bichler, Der Kluibenschädel. Das Ende.
Lienz: Eigenverlag 2014. 143 Seiten. EUR 12,90. ISBN 978-1-503-131460-4.

 

Weiterführender Link:
Amazon: E. W. Bichler, Der Kluibenschädel

 

Helmuth Schönauer, 18-02-2015

Bibliographie

AutorIn

E. W. Bichler

Buchtitel

Der Kluibenschädel. Das Ende

Erscheinungsort

Lienz

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Eigenverlag

Seitenzahl

143

Preis in EUR

12,90

ISBN

978-1-503-131460-4

Kurzbiographie AutorIn

Eckehard Bichler, geb. 1949 in Innsbruck, lebt in Lienz.